§ 38
Überbrückungsgeld
(1) Nach dem Tode versicherter Landwirte erhalten Witwen oder Witwer Überbrückungsgeld, wenn
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sie das Unternehmen der Landwirtschaft als versicherungspflichtiger Landwirt weiterführen,
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im Haushalt des Leistungsberechtigten mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind lebt, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten,
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der verstorbene Unternehmer zum Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf einen Zuschuss zum Beitrag hatte,
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der Leistungsberechtigte die Regelaltersgrenze nicht erreicht hat und
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der verstorbene Unternehmer zum Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 erfüllt hat.
(2) Für die Berechnung des Überbrückungsgeldes gelten die Vorschriften über die Berechnung einer Regelaltersrente entsprechend unter Berücksichtigung der bis zum Tode des Unternehmers von diesem gezahlten Beiträge.
(3) 1Das Überbrückungsgeld wird längstens für die Dauer der auf den Sterbemonat des Unternehmers folgenden drei Jahre gezahlt. 2Es gelten die Vorschriften über Beginn, Änderung, Ende, Ausschluss und Minderung von Renten entsprechend.
(4) Der Anspruch ruht während der Zeit, in der Betriebs- oder Haushaltshilfe bei Tod des Landwirts gestellt oder Witwenrente oder Witwerrente bezogen wird.
Erläuterungen
Für eine Übergangszeit von drei Jahren nach dem Tod des versicherten Landwirts wird dem hinterbliebenen Ehegatten bei Weiterführung des landwirtschaftlichen Unternehmens Überbrückungsgeld gewährt. Wie die Gesetzessystematik ausweist, handelt es sich bei dieser Leistung nicht um eine Rente.
Absatz 1 benennt die Anspruchsvoraussetzungen für das Überbrückungsgeld. Danach muss es sich bei dem potentiellen Leistungsberechtigten um den hinterbliebenen Ehegatten, also um die Witwe oder den Witwer eines versicherten Landwirts handeln. Zwar gilt der einengende Versichertenbegriff des § 36 Abs. 5 hier nicht, eine „latente” Versicherung des Verstorbenen, wie sie z. B. nach einer Befreiung weiterbesteht, reicht aber dennoch nicht aus, weil der in Nummer 3 geforderte Zuschussanspruch des verstorbenen Ehegatten nach § 32 Abs. 1 dessen Versicherungspflicht voraussetzt.
Nach dem Wortlaut wird eine Unterscheidung zwischen einer Versicherung nach § 1 Abs. 2 oder § 1 Abs. 3 nicht getroffen. Somit kann auch der bisher nach § 1 Abs. 2 versicherte Landwirt nach dem Tod seiner nach § 1 Abs. 3 versichert gewesenen Ehefrau als Leistungsberechtigter in Betracht kommen.
Nummer 1
Der hinterbliebene Ehegatte muss das landwirtschaftliche Unternehmen als versicherungspflichtiger Landwirt weiterführen.
Aus dem Begriff „Weiterführung“ folgt, dass der Hinterbliebene diese Anspruchsvoraussetzung nur als Unternehmer i. S. d. § 1 Abs. 2 erfüllt. Unerheblich bleibt aber die Art der Unternehmereigenschaft. So kann der hinterbliebene Ehegatte die Anspruchsberechtigung auch als Gilt-Landwirt i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 3 erwerben.
„Weiterführung“ bedeutet nicht, dass sich die Versicherungspflicht als Landwirt des Hinterbliebenen unmittelbar an den Tod des Landwirts anschließen muss. Da ausweislich der Gesetzesbegründung § 38 für eine Übergangszeit die Weiterführung des Betriebs durch den Ehegatten unterstützen soll, also primär dem Zweck dient, das Unternehmen der Familie und insbesondere einem Hofnachfolger zu erhalten, ist dem Hinterbliebenen eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen. Als Maßstab kann insoweit die in § 37 Abs. 2 benannte Übergangszeit von zwei Jahren herangezogen werden. Dies steht im Einklang mit dem Urteil des BSG vom 29.10.1985 - 11a RLw 9/84, Rdschr. AH 5/86 zu § 9a GAL.
Das Unternehmen muss nicht in vollem Umfang und unveränderter Größe weiter bestehen. Es ist daher anspruchsunschädlich, wenn das Unternehmen durch Zupachtung weiterer Flächen vergrößert oder durch Abgabe von Flächen verkleinert wird.
Anspruchsunschädlich ist jede Verkleinerung des Unternehmens, solange das Unternehmen noch zumindest die Mindestgröße i. S. d. § 1 Abs. 5 aufweist (vgl. zum früheren Recht Rdschr. Nr. 69/81). Dafür spricht, dass anderenfalls die Nummer 1 bereits wegen Wegfalls der Versicherungspflicht i. S. d. § 1 Abs. 2 nicht erfüllt wäre.
Eine Vergrößerung des Unternehmens im Rahmen der Weiterführung ist unbegrenzt zulässig. Die Nummer 3 stellt nämlich auf die Beitragszuschussberechtigung des Verstorbenen im Todeszeitpunkt, nicht aber - wie im Rechtszustand vor 1995 - auf den Wirtschaftswert des weitergeführten Unternehmens ab.
Der Zweckbestimmung der Norm Rechnung tragend, kann ein „Weiterführen” aber dann nicht angenommen werden, wenn der Verstorbene bereits zu seinen Lebzeiten das Unternehmen abgegeben und Rentenleistungen bezogen hatte. Nimmt der Hinterbliebene nach dem Tod seines Ehegatten von neuem eine Landwirtstätigkeit auf, fehlt es an der von § 38 vorausgesetzten Kontinuität in der Unternehmensführung, und zwar selbst dann, wenn nunmehr dieselben Flächen wie zu Lebzeiten des Verstorbenen bewirtschaftet werden.
Aus der Formulierung „...als versicherungspflichtiger Landwirt...“ folgt, dass der hinterbliebene Ehegatte der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 unterliegen muss. Dies ist nicht gegeben, wenn Versicherungsfreiheit (z. B. § 2) besteht oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht (z. B. § 3) ausgesprochen wird; anderenfalls hätte es des Zusatzes „versicherungspflichtiger” nicht bedurft.
Nummer 2
Der Kreis der nach dieser Regelung zur Leistung berechtigenden Kinder bestimmt sich nach § 15 i. V. m. § 48 SGB VI.
Kinder in diesem Sinne sind alle Kinder im Sinne des BGB. Dazu gehören leibliche Kinder sowie Adoptivkinder. Diesen gleichgestellt sind unter bestimmten Voraussetzungen nach § 48 Abs. 3 SGB VI Stiefkinder, Pflegekinder, Enkel und Geschwister.
Maßgebend ist aber, dass diese Kinder im Haushalt des Leistungsberechtigten leben. Der hinterbliebene Ehegatte muss also die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben tatsächlich ausüben.
Die Kinder können zudem nur dann anspruchsbegründend berücksichtigt werden, wenn sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Eine Ausnahme von dieser Altersbegrenzung besteht lediglich bezüglich eines Kindes, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Da aber auch dieses Kind „waisenrentenberechtigt“ sein muss, folgt aus § 15 Satz 1 i. V. m. § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, dass nur längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres dieses Kindes die Voraussetzung der Nummer 2 erfüllt sein kann, selbst dann, wenn die Behinderung des Kindes über dieses Höchstalter fortbesteht (vgl. zur früheren - gleichlautenden - Regelung des § 3b Abs. 1 Buchst. d GAL die Stellungnahme des GLA zum 2. ASEG, S. 46 sowie Noell, GAL 1983 S. 323).
Die Voraussetzung „waisenrentenberechtigtes Kind“ ist in dem Sinne auszulegen, dass das Kind zu dem von § 15 i. V. m. § 48 SGB VI erfassten Personenkreis gehört und nicht Landwirt i. S. v. § 1 ist (vgl. zum alten Recht Rdschr. AH 18/81).
Der erfasste - in aller Regel minderjährige - Personenkreis wird Landwirt-Eigenschaft in der Mehrzahl der Fälle im Wege der Erbfolge erlangen. Die nach § 1 Abs. 2 Satz 2 vorausgesetzte selbstständige Ausübung einer beruflichen Tätigkeit wird dabei sowohl von einem Alleinerben als auch von einem Miterben erfüllt werden können, da im Gegensatz zum früheren Recht die Landwirt-Eigenschaft eines Mitunternehmers nicht mehr von einer hauptberuflichen Tätigkeit im Unternehmen abhängt.
Nummer 3
Die Vorschrift macht den Anspruch von den wirtschaftlichen Verhältnissen des verstorbenen Ehegatten abhängig.
Unternehmereigenschaft?
Nach dem Wortlaut müsste der Verstorbene Unternehmer i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 2 gewesen sein. Damit würden aber die überlebenden Ehegatten von Landwirten i. S. d. § 1 Abs. 3 in zweckwidriger Weise ausgegrenzt. Der Gesetzeszweck erschließt sich aus § 39 Abs. 1 Nr. 1: Wenn sogar der Tod einer Person, die die Aufgaben des Ehegatten eines Landwirts ständig wahrgenommen hat, Leistungsansprüche auslöst, muss dies erst Recht gelten, wenn der Ehegatte selbst verstorben ist (ebenso zu § 37 Abs. 1 Nr. 1). Deshalb reicht es aus, wenn der Verstorbene als Landwirt - i. S. d. § 1 Abs. 2 oder 3 - einen Anspruch auf Beitragszuschuss hatte.
Anspruch auf Beitragszuschuss
Zu prüfen ist, ob dem Verstorbenen im Todeszeitpunkt ein Beitragszuschussanspruch nach Maßgabe der §§ 32 ff. zugestanden hat. Auf die Geltendmachung des Anspruchs im Antragswege und auf die tatsächliche Leistungserbringung seitens der LAK kommt es nicht an, da gemäß § 40 Abs. 1 SGB I ein „Anspruch“ bereits dann entsteht, sobald seine im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen. War der verstorbene Ehegatte von der Versicherungspflicht als Landwirt befreit, hatte er - unabhängig von seinen Einkommensverhältnissen - nach § 32 Abs. 1 auch keinen Anspruch auf Beitragszuschuss.
Nummer 4
Im Zusammenhang mit Absatz 3 bringt diese Anspruchsvoraussetzung die zeitliche Begrenzung der Überbrückungsgeldleistung zum Ausdruck.
Im Unterschied zu der zwischen Witwen und Witwern differenzierenden Altersbegrenzung im früheren § 9a Abs. 1 GAL darf der potentiell Leistungsberechtigte nunmehr - ohne weitere Unterscheidung - die Regelaltersgrenze nicht erreicht haben.
Nummer 5
Der verstorbene Landwirt (nicht notwendig Unternehmer, s. o. zu Nummer 3) muss in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3
- in den letzten fünf Jahren vor Eintritt seines Todes mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur LAK gezahlt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) und
- im Zeitpunkt seines Todes die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben (§ 13 Abs. 1 Nr. 3).
Auf die erforderliche Anzahl von 36 Kalendermonaten Pflichtbeiträge vor Eintritt des Todes sind sämtliche Beitragszeiten des Verstorbenen, die auf einer Versicherungspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 84 Abs. 1 bis 3, § 92 Abs. 4 und 5) beruhen, anrechenbar. Darüber hinaus können Zeiten i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 2 berücksichtigt werden, § 13 Abs. 4 Satz 2. Nicht anrechenbar sind regelmäßig Zeiten i. S. v. § 92 Abs. 1 und 3, vgl. § 92 Abs. 6.
Zusätzlich muss der Verstorbene 60 Kalendermonate zurückgelegt haben, die nach § 17 Abs. 1 auf die Wartezeit angerechnet werden können. Hierbei handelt es sich um
- Beitragszeiten i. S. v. § 18, so dass sämtliche Pflichtbeiträge (s. o.) und freiwillige Beiträge (§§ 4, 5, 85 Abs. 7) angerechnet werden können; Beitragszeiten als Landwirt vor dem 01.01.1995 müssen außerdem die in § 90 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllen (eine Berücksichtigung von Beiträgen des hinterbliebenen Ehegatten entsprechend § 90 Abs. 3 scheidet aus („...zum Zeitpunkt seines Todes...“)) und
- Zeiten i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 2.
Die Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 sind darüber hinaus gegeben, soweit §§ 17 Abs. 2, 13 Abs. 4 Satz 1 erfüllt sind.
Diese Regelung verweist für die Berechnung der Leistung auf die entsprechende Geltung der Vorschriften über die Berechnung einer Regelaltersrente, §§ 23 und 24.
Da das Überbrückungsgeld keine Rente i. S. d. ALG darstellt, findet § 23 lediglich entsprechende Anwendung. Daraus folgt - im Einklang mit dem Wortlaut des Absatz 2 -, dass Grundlage für die Ermittlung der Leistungshöhe nur die von dem Verstorbenen gezahlten Beiträge, nicht aber Zeiten i. S. v. § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 sein können.
Auch für die Leistung „Überbrückungsgeld“ gilt, dass die durch das Inkrafttreten des ASRG bedingte Absenkung des Niveaus der Geldleistungen während eines 15-jährigen Übergangszeitraumes durch Zahlung eines Zuschlags vermindert werden soll. Demgemäß bestimmt § 97 Abs. 10, dass für die Bezieher eines Überbrückungsgeldes die Absätze 1, 3 und 7 des § 97 entsprechend anzuwenden sind. Der Zuschlag wird dabei - unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Beitragszeit - auf der Grundlage eines Betrages ermittelt, der sich ergibt, wenn der für 15 Beitragsjahre maßgebende Umrechnungsfaktor für Unverheiratete in der Anlage 2 zum ALG mit dem allgemeinen Rentenwert vervielfältigt wird (vgl. die Erläuterungen zu § 97 Abs. 10).
Gemäß Satz 1 wird das Überbrückungsgeld - vorbehaltlich der Einhaltung der in Absatz 1 Nr. 4 benannten Altersgrenze - zeitlich begrenzt nur für maximal die Dauer der auf den Sterbemonat des Unternehmers folgenden drei Jahre gezahlt.
Da das Überbrückungsgeld keine Rentenleistung ist, erklärt Satz 2 die Vorschriften des ALG über Beginn, Änderung, Ende, Ausschluss und Minderung von Renten (§§ 30 und 31) für entsprechend anwendbar. In Anbetracht der Sachnähe zu Hinterbliebenenrenten ist § 99 Abs. 2 SGB VI einschlägig. Weil der verstorbene Landwirt eine Rente nach dem ALG noch nicht erhalten haben kann, wird das Überbrückungsgeld generell entsprechend § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vom Todestag an geleistet.
Nach der ersten Alternative des Absatzes 4 ruht der Anspruch für den Zeitraum, in dem Betriebs- und Haushaltshilfe bei Tod des Landwirts (§ 37) gestellt wird.
Aus dieser Bestimmung folgt auch, dass der Berechtigte zwischen den Leistungen der Betriebs- und Haushaltshilfe nach § 37 sowie dem Überbrückungsgeld wählen kann. Es ist folglich zulässig, dass die Leistungen - zumindest innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Ehegatten (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1) - abwechselnd gewährt werden. Daraus folgt: Wird die Betriebs- und Haushaltshilfe nach § 37 betriebsbedingt nur für Monatsteile benötigt, muss für den Rest des Monats Überbrückungsgeld geleistet werden. Bei der Berechnung der Leistungshöhe ist dann von der tatsächlichen Zahl der Tage in dem betreffenden Monat auszugehen. Auch wenn das Überbrückungsgeld keine Rentenleistung darstellt, wird dennoch § 123 Abs. 3 Satz 2 SGB VI über § 47 entsprechend anzuwenden sein. Danach ist der Kalendermonat bei der Ermittlung einer anteiligen Monatsrente ausnahmsweise nicht mit 30 Tagen, sondern mit der tatsächlichen Anzahl der Tage anzusetzen.
Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten kein Überbrückungsgeld (vgl. § 42 Abs. 7).
Mit Wirkung vom 09.08.2018 wurde der Absatz 4 durch Artikel 4a Nr. 14 des Qualifizierungschancengesetzes um eine weitere Ruhensregelung ergänzt. Nach der zweiten Alternative ruht ein Anspruch auf Überbrückungsgeld während der Zeit, in der Witwenrente oder Witwerrente bezogen wird.
Nach bisherigem Recht konnte entweder Überbrückungsgeld bei Weiterbewirtschaftung des Unternehmens bezogen werden oder eine Witwen- oder Witwerrente bei Unternehmensaufgabe.
Auf Grund der ebenfalls zum 09.08.2018 erfolgten Streichung des Hofabgabeerfordernisses, können künftig Renten auch ohne Unternehmensaufgabe gezahlt werden. Der weitere Ruhenstatbestand verhindert, dass es zu Doppelleistungen (Rente und Überbrückungsgeld) kommt.