§ 2
Versicherungsfreiheit
Versicherungsfrei sind
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Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige, die
a) das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet oder die Regelaltersgrenze bereits erreicht haben,
b) bei Beginn der Versicherung die Wartezeit nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr erfüllen können oder
c) bereits eine vorzeitige Rente wegen Alters oder eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, und
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(weggefallen)
- mitarbeitende Familienangehörige, solange sie als Landwirt in der Alterssicherung der Landwirte versichert sind.
Buchstabe a regelt die Versicherungsfreiheit von Landwirten und Mifas vor Vollendung des 18. Lebensjahres und nach Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 11 Abs. 3, § 87a. Ohne Vorbild nach dem Rechtszustand bis 31.12.1994 ist die Begrenzung der Versicherungspflicht auf die Regelaltersgrenze. Ein Mindestalter bestand vor dem 01.01.1995 nur für die Beitragspflicht bei Mifas. Bei einer am 1. eines Monats geborenen Person beginnt die Versicherungspflicht mit Ablauf des Monats, in dem sie das 18. Lebensjahr vollendet hat.
- Beispiel:
- Mifa, geboren am 01.11.1989
- Vollendung des 18. Lebensjahres mit Ablauf des 31.10.2007
- Beginn der Versicherungspflicht: 01.11.2007
Die für einen Auszubildenden in einem landwirtschaftlichen Unternehmen der Eltern eintretende „Doppelversicherung“ - zum einen in der AdL, zum anderen in der GRV - ist unter Berücksichtigung des Teilsicherungscharakters der AdL verfassungskonform. Die Herabsetzung des Mindestalters für den Eintritt der Versicherungspflicht in der AdL durch das ASRG-ÄndG diene der Erweiterung des Versicherungsschutzes (BSG, 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R - Rdschr. AH 45/02).
Erreicht ein Versicherter die Regelaltersgrenze, tritt ab dem Tag, der auf das Erreichen der Regelaltersgrenze folgt, Versicherungsfreiheit ein; gleichwohl findet unter Beachtung des in der AdL herrschenden Prinzips des - unteilbaren - Monatsbeitrags (BSG, 25.11.1998 - B 10 LW 10/97 R - Rdschr. AH 7/99) eine anteilige Beitragsberechnung nicht statt.
Die wortlautgetreue Anwendung der Regelung über die Versicherungsfreiheit nach Erreichen der Altersgrenze verletzt verfassungsrechtliche Grundsätze, wenn dem schutzwürdigen Vertrauen auf die Möglichkeit, zumindest die Wartezeit für eine Rentenleistung der AdL erfüllen zu können, nicht Rechnung getragen wird. Demgemäß ist in analoger Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 1 von einem Fortbestand der Versicherungspflicht nach Erreichen der Altersgrenze auszugehen, und zwar zumindest für das Jahr 1995, sofern die Wartezeit für eine Altersrente der AdL nur unter Einbeziehung der in § 17 Abs. 1 Satz 2 benannten Zeiten erfüllt werden kann (BSG, 28.01.1999 - B 10 LW 1/98 R - Rdschr. AH 2/99; s. a. Erläuterungen zu § 84 Abs. 1 und § 93 Abs. 3).
Weiterhin besteht nach Buchstabe b Versicherungsfreiheit, wenn zu Beginn der Versicherung feststellbar ist, dass die Wartezeit für eine Rente wegen EM nach § 13 nicht mehr erfüllt werden kann. Diese Bestimmung korrespondiert mit der durch Buchstabe a angeordneten generellen Versicherungsfreiheit nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Als „Beginn der Versicherung“ ist der Zeitpunkt anzusehen, zu dem die aktuelle Versicherung als Landwirt oder Mifa beginnt. Diese Begriffsauslegung führt dazu, dass die Vorschrift auch dann Anwendung findet, wenn die Versicherungspflicht erneut beginnt. Das Erfüllen der fünfjährigen Wartezeit für eine EM-Rente darf ab dem so bestimmten Zeitpunkt bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht mehr möglich sein. Bei dieser Prüfung ist § 17 Abs. 1 Satz 2, der die Anrechnung von außerhalb der AdL zurückgelegten Versicherungszeiten regelt, sowie die Möglichkeit der Anrechnung von Versicherungszeiten nach über- und zwischenstaatlichem Recht zu beachten.
Beispiele:
- Landwirt A bewirtschaftet ab Vollendung seines 48. Lebensjahres ein Unternehmen, das die Mindestgröße erreicht. Von der ab diesem Zeitpunkt bestehenden Versicherungspflicht hat er sich von Beginn an nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 befreien lassen. Ab seinem 63. Lebensjahr erzielt er kein außerlandwirtschaftliches Einkommen mehr. Zeiten i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 2 wurden nicht zurückgelegt.
Da die Versicherung des A ab diesem Zeitpunkt beginnt, besteht Versicherungsfreiheit nach Nummer 1 Buchst. b.
- Landwirt B bewirtschaftet ab Beginn seines 53. Lebensjahres ein Unternehmen, das die Mindestgröße erreicht. Trotz Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit, aufgrund der er ein Einkommen oberhalb des in § 3 Abs. 1 Nr. 1 genannten Grenzwertes erhält, zahlt B zunächst für 12 Kalendermonate Beiträge zur Alterskasse; danach lässt er sich von der Versicherungspflicht befreien. Ab seinem 65. Lebensjahr führt B das Unternehmen im Vollerwerb, so dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 endet. Zeiten i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 2 wurden nicht zurückgelegt.
Versicherungsfreiheit nach Nummer 1 Buchst. b besteht, da die Versicherung des B - erneut - beginnt.
Aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 23.05.2018 (1 BvR 97/14 und 1 BvR 2392/14) zur Grundgesetzwidrigkeit der sogenannten Hofabgabeklausel wegen Verletzung der Eigentumsfreiheit und des Gleichheitssatzes hat der Gesetzgeber mit dem Qualifizierungschancengesetz vom 18.12.2018 die Hofabgabe als Voraussetzung für den Bezug einer LAK-Rente gestrichen.
Dem hat der Gesetzgeber mit der neuen Regelung in Buchstabe c mit Wirkung ab dem 09.08.2018 Rechnung getragen, wonach wegen des Wegfalls des Hofabgabeerfordernisses die Versicherungsfreiheit bereits bei Bezug einer Rente aus eigener Versicherung eintritt, um nicht noch zusätzliche Anreize zu schaffen, das Unternehmen trotz Rentenbezugs weiter zu bewirtschaften, sondern im Gegenteil die Rentenbezieher einer vorzeitigen Altersrente oder Erwerbsminderungsrente zu einer Unternehmensabgabe zu motivieren (BT-Drs. 19/6146, S. 28). Betroffen sind daher nur Renten aus der Alterssicherung der Landwirte. Renten aus anderen Versorgungssystemen können nach § 3 Abs. 4 ALG nur als Erwerbsersatzeinkommen im Rahmen der Befreiung von der Versicherungspflicht oder eines Zuschusses zum Beitrag berücksichtigt werden. Soweit eine Regelaltersrente bezogen wird, folgt die Versicherungsfreiheit bereits aus Buchstabe a.
Die Versicherungsfreiheit beginnt mit dem Beginn der Rente, vgl. § 30 Satz 1 i. V. m. § 99 SGB VI.
Die Formulierung „bereits...beziehen“ ist dabei so auszulegen, dass die Voraussetzungen für den Bezug einer vorzeitigen Rente wegen Alters oder einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind und diese Rente beantragt wurde. Leistungsrechtliche Anrechnungs- oder Ruhenstatbestände oder zivilrechtliche Ansprüche gegenüber der rentenantragstellenden Person bleiben unbeachtlich, denn die Regelung soll verhindern, dass durch die Weiterbewirtschaftung des Unternehmens bei gleichzeitigem Anspruch auf die Rentenleistung weiterhin rentenerhöhende Ansprüche erworben werden können. Maßgeblich ist daher der mit der Leistungsbewilligung festgestellte Anspruch auf die jeweilige Rente und nicht die Feststellung, ob nach Berücksichtigung von Ruhens-, Kürzungs- oder Mitwirkungsvorschriften noch ein Betrag zur Auszahlung kommt. Somit bleibt auch bei Entzug oder Versagung der Rente aufgrund fehlender Mitwirkung (§ 66 SGB I) das Rentenstammrecht erhalten, es wird lediglich die Auszahlung der monatlichen Rentenansprüche in voller oder teilweiser Höhe verweigert, so dass eine Versicherungsfreiheit in der AdL weiterhin gegeben ist. Dieses Vorgehen entspricht der Verfahrensweise in der LKV, bei der die Altenteilerversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989 fortzuführen ist (SVLFG-Info intern Nr. 055/2024).
Bei Verzicht auf die Rentenleistung (§ 46 SGB I) ist die Versicherungsfreiheit nicht durchzuführen, solange der Leistungsverzicht seitens des Versicherten nicht widerrufen wird. Dieses Vorgehen entspricht ebenfalls der Verfahrensweise bei der Altenteilerversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG 1989, wonach die Versicherung bei einem Verzicht auf die Rentenleistung trotz weiterhin bestehendem Rentenstammrecht nicht durchzuführen ist.
Gleiches gilt für die Fälle, in denen die Rente wegen Wegfall der rentenrechtlichen Voraussetzungen entzogen wird (z. B. weil die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht mehr vorliegt oder wegen Aufnahme einer Beschäftigung). Es besteht in diesen Fällen Versicherungspflicht zur Alterskasse, sofern die Voraussetzungen des § 1 gegeben sind und nicht ein weiterer Versicherungsfreiheitstatbestand vorliegt. Abzustellen ist auf den im Bescheid genannten Zeitpunkt des Verzichts, des Wegfalls bzw. Entzugs der Rente für den Beginn der Versicherungspflicht (SVLFG-Info intern Nr. 234/2020).
Für den Fall, dass während der Versicherungsfreiheit nach Buchstabe c die Mindestgröße nach § 1 Abs. 5 unterschritten oder zunächst unterschritten und dann wieder erreicht wird, ist die mit Verwaltungsakt festgestellte Versicherungsfreiheit nicht aufzuheben, da die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X in diesem Fall nicht wesentlich ist. Bei während des Rentenbezugs erstmaliger Überschreitung der Mindestgröße (z. B. weil anlässlich des Rentenantrags oder zuvor schon das Unternehmen abgegeben oder unter die Mindestgröße verkleinert wurde) ist die Versicherungsfreiheit mittels Verwaltungsakt festzustellen, da in der Vergangenheit nur das Ende der Versicherungspflicht wegen Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit festgestellt wurde.
Nummer 3 regelt den Vorrang der Versicherungspflicht als Landwirt gegenüber der als Mifa. Sollte im Verlauf eines Kalendermonats an die Versicherungspflicht als Mifa die als Landwirt anschließen, ist unter Beachtung des Rechtsgedankens der Nummer 3 und unter Berücksichtigung des Grundsatzes des - unteilbaren - Monatsbeitrags nur der Beitrag als Landwirt von der LAK einzuziehen.
- Beispiel:
- Beschäftigung als Mifa bis 20.10.
Tätigkeit als Landwirt ab 21.10. - Für den Monat Oktober ist nur der Beitrag als Landwirt zu fordern. Ein bereits gezahlter Mifa-Beitrag ist nach § 77 i. V. m. § 26 SGB IV zu erstatten.
Lässt sich der Versicherte von der Versicherungspflicht als Landwirt befreien, endet die Versicherungsfreiheit nach Nummer 3 (vgl. auch die Erläuterungen zu § 3 Abs. 1).