§ 93
Berechnung der Renten
(1) Beiträge von Personen, die unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitender Familienangehöriger versicherungspflichtig waren, gelten als Beiträge als Landwirt.
(2) Beiträge als Landwirt, die vor dem 1. Januar 1995 gezahlt wurden, gelten als Beiträge als mitarbeitender Familienangehöriger, wenn
-
sie nach § 90 nicht auf die Wartezeit angerechnet werden,
-
a) nach dem letztmaligen, vor dem 1. Januar 1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht für weniger als 15 Jahre Beiträge ohne Berücksichtigung von Beträgen als mitarbeitender Familienangehöriger an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt wurden und eine Altersrente festzustellen ist oder
b) nach dem letztmaligen, vor dem 1. Januar 1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht vom Verstorbenen für weniger als 5 Jahre Beiträge ohne Berücksichtigung von Beiträgen als mitarbeitender Familienangehöriger an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt wurden und eine Witwen- oder Witwerrente oder eine Rente wegen Erwerbsminderung festzustellen ist und - vor dem 1. Januar 1995 ein Beitrag als mitarbeitender Familienangehöriger gezahlt wurde.
(3) Beiträge, die vor dem 1. Januar 1995 gezahlt wurden, bleiben bei der Rentenberechnung unberücksichtigt, wenn
-
die Voraussetzungen nach Absatz 2 Nr. 1 und 2 vorliegen und vor dem 1. Januar 1995 ein Beitrag als mitarbeitender Familienangehöriger nicht gezahlt wurde,
-
sie nach Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt wurden oder
- sie bereits bei einer Witwen- oder Witwerrente berücksichtigt sind und für den Überlebenden, der diese Beiträge gezahlt hat, eine Rente aus eigener Versicherung festzustellen ist.
Erläuterungen
Die Vorschrift regelt - bezogen auf die Rentenberechnung nach §§ 23, 99 - einerseits die Gleichstellung von Beitragszeiten der auf Antrag Pflichtversicherten (§ 84 Abs. 2 und 3) mit den als Landwirt zurückgelegten Versicherungszeiten und beschränkt andererseits die Berücksichtigung von Beitragszeiten, die vor dem 01.01.1995 gezahlt worden sind.
Absätze 2 und 3 Nr. 1 sind nicht auf Beiträge des hinterbliebenen Ehegatten, die dieser nach dem Tod des anderen Ehegatten gezahlt hat, anwendbar, soweit eine Hinterbliebenenrente festzustellen ist. Dies folgt daraus, dass diese Beiträge nicht dem Erfordernis der ununterbrochenen Beitragszahlung unterworfen waren (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 5 GAL).
Die Regelung stellt von Weiterversicherten i. S. v. § 84 Abs. 2 und 3 zurückgelegte Beitragszeiten den Versicherungszeiten als Landwirt gleich. Für sie gilt deshalb der Faktor 0,0833 (§ 23 Abs. 3 Nr. 1).
Diese allein die Rentenberechnung betreffende Gleichstellung hat jedoch keinen Einfluss auf die vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollte Zusplittung von Beitragszeiten als Weiterversicherter im Rahmen von § 92 (vgl. amtliche Begründung zum ASRG-ÄndG, § 92, Materialband des GLA S. 241).
Die Regelung bewirkt, dass für Zeiträume vor dem 01.01.1995 gezahlte Beiträge als Landwirt abweichend von § 23 Abs. 3 Nr. 1 den Beiträgen als mitarbeitender Familienangehöriger (Wertigkeit: 0,0417, § 23 Abs. 3 Nr. 2) gleichgestellt werden. Auch bei der Ermittlung der nach § 99 festzustellenden Rentenhöhe ist die Vorschrift zu beachten, vgl. § 99 Abs. 1 Satz 6.
Sie betrifft die Fallgestaltungen, in denen nach dem Recht des GAL wegen der lückenhaften Zahlung von Landwirtsbeiträgen nur eine Leistung an mitarbeitende Familienangehörige gewährt werden konnte, bei deren Berechnung die lückenhaften Landwirtsbeiträge nur mit dem Wert der Beiträge als mitarbeitender Familienangehöriger zu berücksichtigen waren (vgl. § 4 Abs. 1a und 1c GAL).
Die in den Nummern 1 bis 3 genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
Nach Nummer 1 dürfen die vor dem 01.01.1995 gezahlten Beiträge nicht auf die Wartezeit anrechenbar sein. Es muss sich mithin um nicht bis zu den gesetzlich bestimmten Endzeitpunkten gezahlte Beiträge handeln, vgl. § 90 ALG.
Innerhalb der Nummer 2 muss - je nach zu berechnender Rentenart - entweder Buchstabe a oder Buchstabe b erfüllt sein.
Buchstabe a ist einschlägig bei Altersrenten (§§ 11, 12). Nach dem letztmaligen, vor dem 01.01.1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht muss eine Beitragszeit von weniger als 15 Jahren (180 Kalendermonaten) zurückgelegt worden sein. Die Eingrenzung auf Altersrenten ist mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze rückwirkend ab 01.01.1995 klargestellt worden. Schon die alte Fassung war in dieser Weise verfassungskonform auszulegen (Rdschr. L 133/10). Anrechenbar sind nur die Beiträge
- als Landwirt (einschließlich solcher, die nach § 92 Abs. 1 als gezahlt gelten), Weiterversicherter (§ 84 Abs. 2 und 3) oder freiwillig Versicherter (§§ 4, 5),
- die seit dem letzten, vor dem 01.01.1995 erfolgten Wegfall der Beitragspflicht (§ 14 Abs. 1 GAL) gezahlt worden sind. Unterbrechungen in der Versicherungspflicht nach dem 31.12.1994 sind unerheblich.
Die Anrechenbarkeit der nach § 92 Abs. 1 als gezahlt geltenden Beiträge folgt aus der Verwendung des Terminus „...gezahlt wurden...“, der im Gegensatz zu dem Begriff „Zurücklegung (von Beitragszeiten)“ - vgl. § 97 Abs. 1 Satz 1 - auch fiktive Beitragszahlungen einschließt. Weil die Rentenberechnung betroffen ist, ist ggf. die prozentuale Minderung durch § 92 Abs. 2 Satz 2 zu beachten.
Nicht anrechenbar sind Beiträge als Mifa und Zeiten im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2.
Buchstabe b ist einschlägig bei Witwen- oder Witwerrenten (§ 14) sowie bei Renten wegen EM (wegen der Auslegung der früheren Wortfassung vgl. Rdschr. L 133/10). Wegen der Anrechenbarkeit der Beiträge vgl. die Erläuterungen zu Buchstabe a.
Vom hinterbliebenen Ehegatten nach dem Tod des verstorbenen Landwirts weitergezahlte und nach § 90 Abs. 3 auf die Wartezeit anrechenbare Beiträge sind nach dem Sinn und Zweck der Regelung ebenfalls bei der erforderlichen fünfjährigen Beitragszahlung zu berücksichtigen, damit festgestellt werden kann, ob die vom Verstorbenen gezahlten lückenhaften Beiträge der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden können. Auch hier können Beitragszeiten als Mifa sowie Zeiten nach § 17 Abs. 1 Satz 2 nicht angerechnet werden.
Sowohl Buchstabe a als auch Buchstabe b haben einen vor dem 01.01.1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht zur Voraussetzung. Sind Beiträge vor dem 01.01.1995 lediglich auf Grund zeitweise fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit lückenhaft gezahlt, liegt ein Fortfall der Beitragspflicht nicht vor. Gegebenenfalls sind die tatsächlich als Landwirt gezahlten Beiträge als solche zu berücksichtigen (LSG Niedersachsen-Bremen, 04.09.2019 - L2 LW 2/19, SVLFG-Info Nr. 166/2019).
Nach Nummer 3 muss vor dem 01.01.1995 mindestens ein Beitrag als Mifa gezahlt worden sein, und zwar
- bei Renten aus eigener Versicherung (Nummer 2 Buchst. a) für den Rentenberechtigten,
- bei Witwen- oder Witwerrenten (Nummer 2 Buchst. b) für den Verstorbenen.
Sind die Nummern 1 und 2 erfüllt und ist ein Beitrag als Mifa entweder gar nicht oder nur für eine Zeit nach dem 31.12.1994 gezahlt worden, bleiben die lückenhaften, vor dem 01.01.1995 gezahlten Landwirtsbeiträge nach Absatz 3 Nr. 1 gänzlich unberücksichtigt. Warum der Gesetzgeber hinsichtlich der Beiträge als Mifa auf den 01.01.1995 abstellt, ist nicht ersichtlich.
Die Regelung bewirkt, dass vor dem 01.01.1995 gezahlte Beiträge zur AdL bei der Rentenberechnung gänzlich unberücksichtigt bleiben.
Nummer 1 korrespondiert mit Absatz 2: Nach § 90 nicht anrechenbare, weil lückenhafte Beitragszeiten als Landwirt (oder in Ausnahmefällen als ehemals nach § 27 GAL Versicherte, die vor Erreichung der gesetzlichen Endzeitpunkte das Ende der Versicherungspflicht erklärt haben, vgl. Artikel 2 § 5a Abs. 3, § 6d Abs. 1 AHNG) haben unter den Voraussetzungen des Absatz 2 Nr. 2 keine rentenerhöhende Wirkung, wenn für die Zeit vor dem 01.01.1995 kein Beitrag als Mifa gezahlt worden ist. Die Nummer 2 in der Fassung vor der Änderung durch das ASRG-ÄndG geht in dieser weitergehenden Regelung auf.
- Beispiel:
- L zahlte vom 01.11.1985 bis 31.01.1994 Beiträge als Landwirt. Ab dem 01.10.1995 wird er erneut versicherungspflichtiger Landwirt.
- Die vor dem 01.01.1995 gezahlten Beiträge bleiben nach Nummer 1 unberücksichtigt, es sei denn, L zahlt ab dem 01.10.1995 für mindestens 15 Jahre Beiträge - ohne Berücksichtigung der Beiträge als Mifa - zur AdL.
Nach Nummer 2 sind bei der Ermittlung der Rentenhöhe Beitragszahlungen für Zeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht zu beachten (zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BVerfG, 20.09.1999 - 1 BvR 1750/95, Rdschr. AH 14/99; LSG Niedersachsen, 02.03.1998 - L 1 Lw 28/97, Rdschr. AH 6/98 und BSG, 10.08.1989 - 4 RLw 1/88, Rdschr. AH 21/89).
Dies gilt jedoch nicht, wenn für Zeiten vor dem 01.01.1995 Beiträge nach dem 65. Lebensjahr gezahlt wurden, die Wartezeit von 15 Jahren noch nicht erfüllt war und ein Zuschlag nach § 97 Abs. 1 dauerhaft nicht festzustellen ist. So werden diese Beiträge bis zum Beginn der Altersrente im Rahmen des § 23 berücksichtigt (vgl. Rdschr. Nr. 92/96). Diese Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist unter Beachtung des alten Rechts (vgl. § 4 Abs. 1 GAL) konsequent, weil nach der Formulierung des § 4 Abs. 1 Satz 4 GAL nur solche Beiträge bei einer Leistungsstaffelung nicht zu berücksichtigen waren, die über 180 Kalendermonate hinaus und für Zeiten nach dem 65. Lebensjahr gezahlt wurden. Solange ein Berechtigter die Zahl von 180 Kalendermonaten noch nicht erreicht hatte, wurden diese Beiträge (nach dem 65. Lebensjahr) sowohl auf die Wartezeit angerechnet als auch durch die Gewährung des Grundbetrags (Mindestsicherung) bei der Leistungshöhe berücksichtigt. Prinzipiell bestätigt wird dies durch das Urteil des BSG vom 28.01.1999 - B 10 LW 1/98 R (Rdschr. AH 2/99). Danach sind die in analoger Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 1 nach Erreichen der Altersgrenze für das Jahr 1995 fortgezahlten Beiträge bei der Ermittlung der Rentenhöhe zu berücksichtigen, wenn die Wartezeit unter Einbeziehung der in § 17 Abs. 1 Satz 2 benannten Zeiten erfüllt ist (vgl. Erläuterungen zu § 84 Abs. 1). Diese Entscheidung lässt den Rückschluss darauf zu, dass auch Beitragszahlungen für den Folgezeitraum - ab 01.01.1996 - in die Berechnung einzubeziehen sind, sofern sie der Erfüllung der Wartezeit dienen.
Gelten die betroffenen Beiträge nach § 92 für den Ehegatten als gezahlt, haben sie für diesen auch rentensteigernde Wirkung, weil er vor dem 01.01.1995 das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben kann (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1).
Nummer 3 verhindert im Zusammenspiel mit § 98 Abs. 3a eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Beitrages sowohl in einer Hinterbliebenenrente als auch in einer Rente aus eigener Versicherung. Soweit § 99 Abs. 1 Satz 6 i. V. m. § 98 Abs. 3a auch die Zusammenrechnung solcher Beiträge des hinterbliebenen Ehegatten vorsieht, die für Zeiten nach dem 31.12.1994 gezahlt wurden, bleiben diese nach Sinn und Zweck der Regelung ebenfalls unberücksichtigt.
„Berücksichtigt“ sind die Beiträge bei einer Witwen- oder Witwerrente, wenn sie in deren Berechnung eingeflossen sind. Dies kann entweder bereits nach dem Recht des GAL oder nach § 98 Abs. 3a ggf. i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 6 erfolgt sein. In die Berechnung von Witwen- oder Witwerleistungen nach dem GAL eingeflossen sind die Beiträge des hinterbliebenen Ehegatten, wenn sie dem Grunde nach berücksichtigungsfähig waren. Dies war der Fall, soweit die Beiträge nach den einschlägigen Bestimmungen des GAL ohne oder mit zahlenmäßiger Begrenzung der Beitragsmonate auf die Höhe der laufenden Geldleistung anrechenbar und diese Beiträge vor Beginn der Leistung zurückgelegt worden waren; regelmäßig wurden diese Beiträge in den Bescheiden über die Bewilligung der Hinterbliebenenleistung ausgewiesen. Soweit daher z. B. ein Hinterbliebenengeld nach § 3b GAL unter Hinzurechnung von 18 Beitragsmonaten des hinterbliebenen Ehegatten festgestellt wurde, können nach § 93 Abs. 3 Nr. 3 nur die darüber hinausgehenden Beitragsmonate bei einer Rente aus eigener Versicherung berücksichtigt werden, unabhängig davon, welche der 18 Beitragsmonate tatsächlich eine Leistungserhöhung bewirkt haben. Solche Beiträge können daher eine Rente aus eigener Versicherung (§§ 11, 12, 13), die für den hinterbliebenen Ehegatten festzustellen ist, nicht erhöhen. Unbeeinflusst bleibt ihre Anrechnung auf die Wartezeit für eine Rente aus eigener Versicherung (§ 17 Abs. 1 Satz 1, § 90).
Entfällt der Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente (z. B. durch Wiederheirat), können bereits bei der Witwen- oder Witwerrente berücksichtigte Beiträge nunmehr bei einer Rente aus eigener Versicherung angerechnet werden.