§ 14
Witwenrente und Witwerrente
(1) 1Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tode des Versicherten Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn
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(weggefallen)
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der verstorbene Ehegatte die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat und
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(weggefallen)
- der überlebende Ehegatte
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a) ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erzieht,
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b) das 47. Lebensjahr vollendet hat oder
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c) erwerbsgemindert nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist.
2§ 46 Abs. 2a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet entsprechende Anwendung. 3Als Kinder werden auch berücksichtigt
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Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
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Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
4Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.
(2) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen des Absatzes 1 Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für mitarbeitende Familienangehörige.
Erläuterungen
Allgemeines
Witwen-/Witwerrenten dienen dem Ersatz entgangenen Unterhalts. Es handelt sich um Ansprüche aus abgeleiteter Versicherung. Als solche unterliegen sie nicht dem Eigentumsschutz des Artikel 14 Abs. 1 GG (zur GRV: BVerfG, 18.02.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - HVBG-Info 1998, 870, SozVers 1998, 135, Breithaupt 1998, 525).
Die Vorschrift ist der großen Witwen-/Witwerrente der GRV nachgebildet (vgl. § 46 Abs. 2 SGB VI). Die Gewährung einer kleinen Witwen-/Witwerrente entsprechend § 46 Abs. 1 SGB VI ist in der AdL nicht möglich. In Absatz 2 sind die Voraussetzungen genannt, unter denen der vorletzte Ehegatte Anspruch auf Witwen-/Witwerrente hat. Absatz 3 regelt demgegenüber die Gewährung einer Witwen-/Witwerrente an den hinterbliebenen Ehegatten eines Mifa.
Ansprüche früherer Ehegatten, deren Ehe mit einem verstorbenen Landwirt vor dem 01.07.1977 aufgelöst wurde, richten sich nach § 88.
Renten wegen Todes, somit auch Witwen-/Witwerrenten, unterliegen der Einkommensanrechnung nach § 28 bzw. § 106a. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (zur GRV: BVerfG a. a. O.).
Satz 1 benennt die Anspruchsvoraussetzungen.
Tod des Versicherten
Der Tod einer Person wird durch die vom Standesbeamten aufgrund von Personenstandsbüchern (Familienbuch, Sterbebuch) ausgestellten Personenstandsurkunden (Familienbuchauszug, Sterbeurkunde) nachgewiesen. Ist die Tatsache des Todes nicht bewiesen, hat die Alterskasse nach § 16 die Möglichkeit, den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag selbst festzustellen. Ist der Tod laut Sterbeurkunde innerhalb eines Zeitraums (z. B. vom 31. August, 20 Uhr, bis 1. September, 16 Uhr) eingetreten, muss nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast (d. h. der hinterbliebene Ehegatte hat den Eintritt des Todes nachzuweisen) vom Eintritt des Todes am letzten Tag des maßgebenden Zeitraums ausgegangen werden, es sei denn, der Hinterbliebene weist einen früheren Zeitpunkt nach.
Der Verstorbene muss Versicherter der AdL gewesen sein. Dies bedeutet, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt die in § 1 (oder - vor dem 01.01.1995 - den entsprechenden Vorschriften des GAL) genannten Voraussetzungen erfüllt haben muss. Hat er trotz Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen aufgrund eines rechtswidrig begünstigenden Bescheides Beiträge rechtswirksam gezahlt, ist er ebenfalls als Versicherter anzusehen.
Witwen-/Witwerstatus
Dieser ist zu bejahen, wenn im Todeszeitpunkt zwischen dem Verstorbenen und dem hinterbliebenen Ehegatten eine rechtsgültige Ehe bestand.
Die Ehe bestand nicht mehr, wenn sie im Zeitpunkt des Todes durch
- Scheidungsurteil (§§ 1564 ff. BGB) oder
- Aufhebungsurteil (§§ 1313 ff. BGB)
bereits rechtskräftig aufgelöst war. Ab dem 01.07.1998 ist durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 04.05.1998 (BGBl. I S. 833) die Möglichkeit der Eheauflösung bei Vorliegen eines zur Nichtigkeit der Ehe führenden Tatbestandes entfallen. Die zur Nichtigkeit einer Ehe führenden Gründe können aber ab diesem Zeitpunkt deren Aufhebung bewirken, vgl. §§ 1313 ff. BGB.
Keine Wiederheirat durch den hinterbliebenen Ehegatten
Da der Anspruch auf Witwen-/Witwerrente durch erneute Eheschließung seine Unterhaltsersatzfunktion bezogen auf die frühere Ehe verliert, fällt die Witwen-/Witwerrente weg (SG München, 14.03.2001 - S 30 LW 148/00).
Nummer 2 - Der Verstorbene muss die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben
Auf die Wartezeit von fünf Jahren können die in § 17 genannten Zeiten des verstorbenen Versicherten angerechnet werden; hinsichtlich der vor dem 01.01.1995 zur AdL gezahlten Beiträge vgl. § 90 Abs. 2. Unter den in § 90 Abs. 3 genannten Voraussetzungen können auch Beiträge des hinterbliebenen Ehegatten, die dieser für Zeiten nach dem Tod des verstorbenen Versicherten bis zum 31.12.1994 zur AdL gezahlt hat, auf die Wartezeit angerechnet werden. Sollte der Tod durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht worden sein, kann die Wartezeit nach § 17 Abs. 2 als erfüllt gelten.
Nummer 4 Buchstabe a - Kindererziehung
Der hinterbliebene Ehegatte muss entweder ein eigenes Kind oder ein Kind des Verstorbenen erziehen. Hinsichtlich des Begriffs „Kind“ wird auf die Erläuterungen zu § 15 verwiesen.
Das Erfordernis „Erziehung“ entspricht in seinen Grundzügen dem im Familienrecht als Ausfluss der Personensorge (§ 1631 BGB) verwendeten Begriff der Erziehung. Nach § 1631 BGB umfasst die Personensorge insbesondere das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Unter Erziehung in diesem Sinne ist die tatsächliche Sorge für die sittliche, geistige und körperliche Entwicklung des Kindes zu verstehen. Erziehung ist daher dann gegeben, wenn der Hinterbliebene persönlich die Personensorge wahrnimmt. Hiervon kann bei Vorliegen von häuslicher Gemeinschaft des Hinterbliebenen mit dem Kind regelmäßig ausgegangen werden. Hiergegen spricht nicht, dass z. B. aufgrund einer Internatsunterbringung zeitweise eine räumliche Trennung besteht; entscheidend ist, dass der hinterbliebene Ehegatte noch konkrete Erziehungsmaßnahmen wahrnehmen kann. Dies gilt auch im Falle einer freiwilligen Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) oder freiwilligen Heimerziehung (§ 34 SGB VIII), sofern der hinterbliebene Ehegatte in der Lage und willens ist, von seinem Erziehungsrecht Gebrauch zu machen.
Die Erziehung endet regelmäßig, wenn das Kind
- sich gem. § 1666a BGB auf Anordnung des Familiengerichts in Vollzeitpflege - § 33 SGB VIII - oder Heimerziehung - § 34 SGB VIII - befindet (vgl. zu den Vorgängervorschriften BSG, 26.11.1970 - 12 RJ 368/68 - BSGE 32, 117),
- eine längere Freiheitsstrafe verbüßt,
- heiratet oder verheiratet war (§ 1633 BGB).
Die Erziehung endet spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres (§§ 187 Abs. 2 Satz 2, 188 Abs. 2 BGB). Unerheblich ist, ob nach ausländischem Recht ein anderes Volljährigkeitsalter gilt.
Nummer 4 Buchstabe b - Vollendung des 47. Lebensjahrs
Das Mindestalter von 47 Jahren gilt erst für Todesfälle ab 2029. Verstirbt der Versicherte vor 2012, verbleibt es beim bisherigen Mindestalter von 45 Jahren. In der Zwischenzeit wird das Mindestalter schrittweise angehoben (vgl. § 96 Abs. 5).
Nummer 4 Buchstabe c - Erwerbsminderung
Zum Begriff der EM wird auf die Erläuterungen zu § 13 verwiesen. Im Gegensatz zu dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VI a. F., vgl. hierzu BSG, 25.06.1987 - 11a RLw 1/86 - SozR 5850 § 3 Nr. 3) steht das Ausüben einer selbstständigen Tätigkeit dem Eintritt von teilweiser oder voller EM nicht mehr entgegen.
Satz 2 schließt i. V. m. § 46 Abs. 2a SGB VI den Anspruch auf Witwen-/Witwerrente aus, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr vor dem Tod des Versicherten (Fristberechnung: §§ 187 Abs. 1 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB; z. B. Heirat am 24.07.2000, Ablauf der einjährigen Frist am 24.07.2001) bestanden hat. Die Regelung gilt nach § 96 Abs. 4 nicht, wenn die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde.
Die dahinter stehende Vermutung einer Versorgungsehe ist aber nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 1a SGB VI widerlegt, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die LAK ist verpflichtet, das Vorliegen von Widerlegungsgründen von Amts wegen zu prüfen. Besondere Umstände i. S. d. Vorschrift sind in erster Linie solche, die ein anderes Motiv als das der Versorgung ergeben. Insgesamt kommt es auf die Motive beider Ehegatten an. Liegen unterschiedliche Absichten vor, ist eine Gesamtabwägung erforderlich. Bei der Prüfung sind nicht nur alle objektiven (äußeren) Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, sondern auch die subjektiver (innerer) Art. Zwar darf die LAK den Hinterbliebenen nicht zur Offenbarung der persönlichen Beweggründe, die zur Eheschließung geführt haben, zwingen - es ist jedoch unzulässig diese nicht in die Prüfung einzubeziehen, wenn sich der Hinterbliebene zu ihnen geäußert hat. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trifft den hinterbliebenen Ehegatten das Risiko, dass sich besondere Umstände nicht nachweisen lassen. Der bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr gesetzlich als zumindest überwiegend vermutete Versorgungszweck braucht durch die besonderen Umstände nicht vollständig widerlegt zu werden; es genügt, dass andere Heiratsmotive zumindest gleichwertig waren (BSG, 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R). Gegen die gesetzliche Vermutung spricht regelmäßig der plötzlich und unerwartet eintretende Tod des Versicherten (z. B. Unfalltod).
Leiden Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung hingegen bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist dies in der Regel als ein für die gesetzliche Annahme der Versorgungsehe sprechender Umstand anzusehen. Umstände, die nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen, müssen umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung ist.
Die Annahme einer Versorgungsehe kann durch Bestehen eines Ehehindernisses, beispielsweise eines über Jahre andauernden Scheidungsverfahrens (vgl. SG Berlin, 30.05.2012 - S 11 R 5359/08), widerlegt sein. Das objektiv bestehende Ehehindernis ist ein so gewichtiger Beweggrund, dass er bei einer Gesamtabwägung aller äußeren und inneren Umstände den Umstand der Kenntnis der tödlichen Erkrankung des Versicherten zurücktreten lassen kann.
Satz 3 stellt den Kindern i. S. v. Satz 1 Nr. 4 Buchst. a auch
- Stief- und Pflegekinder, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind, sowie
- Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden,
gleich. Auf die Erläuterungen zu § 15 wird verwiesen.
Nach Satz 4 steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des Verstorbenen, das wegen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, dem Tatbestand der Kindererziehung gleich. Auf die Erläuterungen zu § 15 wird hingewiesen.
Abweichend von § 15 i. V. m. § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b SGB VI bewirkt die Sorge für ein behindertes Kind (unter Einschluss von behinderten Kindern i. S. v. Satz 2) unabhängig von dessen Lebensalter einen Anspruch auf Witwen-/Witwerrente. Die Behinderung kann auch erst nach dem Tod des Versicherten eintreten.
Die Sorge für ein behindertes Kind muss in häuslicher Gemeinschaft stattfinden. Dies ist nicht gegeben, wenn das Kind in einem Heim oder einer besonderen Ausbildungseinrichtung untergebracht ist.
Überlebenden Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wird bei Vorliegen der in Absatz 1 genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente eingeräumt, sobald die erneute Ehe aufgelöst ist (Witwen- oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten). Durch die gesetzliche Definition wird klargestellt, dass ein Anspruch nur nach Auflösung (durch Scheidung, Aufhebung oder Tod) einer auf die Ehe mit dem verstorbenen ersten Versicherten nachfolgenden Ehe, nicht dagegen nach einer weiteren Ehe, besteht. Dies gilt auch dann, wenn der hinterbliebene Ehegatte die Person, mit der er die erneute Ehe eingegangen ist, abermals geheiratet hat und auch diese Ehe aufgelöst wird. Die Möglichkeit der Nichtigerklärung einer Ehe ist mit Wirkung vom 01.07.1998 durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 04.05.1998 (BGBl. I S. 833) entfallen.
Auch für den hinterbliebenen Ehegatten eines Mifa besteht unter den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 Anspruch auf Witwen-/Witwerrente. Eine ununterbrochene Zahlung von Beiträgen als Mifa vor dem 01.01.1995 ist nicht erforderlich; § 90 ALG ist auf Beitragszeiten eines Mifa nicht anwendbar.