§ 94
Grundsatz
(1) 1Die Vorschriften dieses Gesetzes sind von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. 2Ist nach dem maßgebenden Zeitpunkt
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eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und dabei die Steigerungszahl neu zu ermitteln,
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innerhalb von 24 Monaten nach Ende des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung eine Altersrente für denselben Versicherten festzustellen,
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innerhalb von 24 Monaten nach Ende des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung des Verstorbenen eine Hinterbliebenenrente festzustellen oder
- innerhalb vom 24 Monaten nach Ende des Bezugs einer Hinterbliebenenrente erneut eine solche Rente festzustellen, ist mindestens die Steigerungszahl zugrunde zu legen, die sich bei Anwendung der bei Feststellung der bisherigen Rente geltenden Vorschriften ergeben würde.
(2) Durch dieses Gesetz aufgehobene und ersetzte Vorschriften sind auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.
(2a) Wird bis zum 31. März 2019 erstmals ein Antrag auf Rente gestellt und waren am 1. Januar 2019 alle Voraussetzungen für den Rentenanspruch mit Ausnahme der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erfüllt, wird die Rente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente mit Ausnahme der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erfüllt sind, frühestens ab dem 1. September 2018.
(3) 1Der Anspruch auf eine Leistung, der am 31. Dezember 1994 bestand, entfällt nicht allein deshalb, weil die Vorschriften, auf denen er beruht, durch Vorschriften dieses Gesetzes ersetzt worden sind. 2Verwenden die ersetzenden Vorschriften für den gleichen Sachverhalt oder Anspruch andere Begriffe als die aufgehobenen Vorschriften, treten insoweit diese Begriffe an die Stelle der aufgehobenen Begriffe. 3Ab 1. Januar 1995 gelten
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Altersgelder als Altersrenten vom 65. Lebensjahr an,
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vorzeitige Altersgelder als Renten wegen Erwerbsunfähigkeit,
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Altersgelder für Witwen und Witwer, vorzeitige Altersgelder für Witwen und Witwer sowie Hinterbliebenengelder als Witwen- und Witwerrenten und
- Waisengelder als Waisenrenten.
(4) Bestand Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften, wird aus Anlass der Rechtsänderung die Leistung nicht neu bestimmt.
(5) Ist am 31. Dezember 1994 eine Rente an Landwirte gezahlt worden und ist diese Rente in Höhe von einem Drittel des Zahlbetrags an den Ehegatten des Anspruchsberechtigten ausgezahlt worden, ist die Rente in Höhe von einem Drittel des Zahlbetrags auch nach dem 31. Dezember 1994 an den Ehegatten des Anspruchsberechtigten weiter auszuzahlen, längstens bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem der Ehegatte des Anspruchsberechtigten Anspruch auf eine Rente hat.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit in den folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist.
Erläuterungen
Die Regelung fasst die Grundsätze zur Anwendbarkeit des neuen Rechts zusammen. Soweit die Bestimmungen nicht ausdrücklich die Rechtsänderung zum 01.01.1995 zum Gegenstand haben (Absatz 3), werden sie auch bei jeder künftigen Rechtsänderung Anwendung finden. Die Vorschriften haben in erster Linie Bedeutung für das Leistungsrecht. Soweit sie nicht ausdrücklich auf dieses beschränkt sind (Absatz 1 Satz 2, Absätze 3 bis 5), erfassen sie aber auch das Versicherungs- und Beitragsrecht (vgl. zu § 300 SGB VI: BSG, 25.02.1992 - 4 RA 34/91, BSGE 70, 138, SozR 3-6180 Art. 13 Nr. 2). Keine Anwendung finden die Vorschriften auf Bestimmungen, die dynamisch ausgestaltet sind (Änderung des allgemeinen Rentenwerts, der Beitragshöhe und damit der Höhe des Beitragszuschusses, der Bezugsgröße, usw.), da die in solchen Regelungen enthaltenen Werte nur für ganz bestimmte Zeiträume Gültigkeit erhalten und auch behalten sollen. Ihre Veränderung beruht nicht auf einer gesetzgeberischen Erkenntnis, sondern stellt einen Reflex auf die Veränderung volkswirtschaftlicher Daten dar.
Nach Satz 1 sind die aktuellen Vorschriften des ALG vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auch auf Sachverhalte und Ansprüche anzuwenden, die bereits vorher eingetreten sind. Es ist deshalb nicht entscheidend, wann der Versicherungsfall eingetreten ist. Anzuwenden ist nicht das Recht, welches bei Eintritt des Versicherungsfalles galt, sondern das Recht, welches im Zeitpunkt der Fallbearbeitung gilt („Bearbeitungsprinzip“, vgl. Knipping DRV 1995, S. 228, 239).
Ist neues Recht anzuwenden, erfassen die Rechtsfolgen ggf. auch den Zeitraum vor seinem Inkrafttreten, weil andernfalls insoweit ein Regelungsvakuum entstehen könnte. Dies zeigt sich insbesondere bei Hinterbliebenenrenten (Sehnert, SdL 1996 S. 77, 78, 84 f.).
- Beispiel:
- Tod des Versicherten am: 14.11.1994
Hinterbliebenenrentenantrag: Mai 1995 - Da Absatz 2 nicht greift (keine Geltendmachung innerhalb von drei Kalendermonaten nach der zum 01.01.1995 erfolgten Rechtsänderung), findet aktuelles Recht - mit allen Konsequenzen sowohl für die Begründung als auch für die Berechnung des Anspruchs - unabhängig davon Anwendung, dass sich ein Rentenbeginn vor dem 01.01.1995 ergibt.
Die Regelung kann sowohl im Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren als auch noch im sozialgerichtlichen Verfahren zur Anwendung kommen, wenn die Rechtsänderung zum begehrten Rentenanspruch führt. Weil der geltend gemachte Anspruch erst durch die während des Verfahrens eintretende Rechtsänderung begründet wird, sind die im Widerspruchs- oder Sozialgerichtsverfahren entstandenen Kosten dem Versicherten in der Regel nicht zu erstatten, wenn die vorherige Ablehnung des Anspruches nach den bis zur Rechtsänderung geltenden Regelungen zu Recht erfolgte.
Im Übrigen stellt im sozialgerichtlichen Verfahren die Annahme eines Anerkenntnisses - wie auch die Klagerücknahme - durch den Kläger nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine einseitige Erledigungserklärung dar, die zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führt. Da der Erledigungserklärung keine eigenständige kostenrechtliche Bedeutung zukommt, begründet sich hieraus auch kein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten (Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22.05.2011 - L10 LW 262/11).
Der Grundsatz der Anwendbarkeit des neuen Rechts von seinem Inkrafttreten an (das „Bearbeitungsprinzip“, vgl. Knipping a. a. O.) wird aber in den folgenden Absätzen 2 bis 5 durchbrochen.
Satz 2 legt fest, in welchem Umfang bei Renten, die auf eine andere Rente folgen, ein Besitzschutz besteht. Soweit die vorausgegangene Rente nach den Vorschriften des GAL festzustellen war, ergibt sich der Besitzschutz aus § 98 Abs. 4 und 5. Die Nummer 1 regelt den Bestandsschutz bei Neufeststellung der gleichen Rentenart, Nummer 2 den bei Aufeinanderfolgen von Altersrente auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wohingegen die Nummern 3 und 4 entsprechendes für Hinterbliebenenrenten bestimmen. Der Besitzschutz erstreckt sich auf die Steigerungszahl, die sich bei Anwendung der zum Zeitpunkt der Feststellung der bisherigen Rente geltenden Vorschriften ergeben hätte. Durch das Abstellen auf den Rentenformelbestandteil „Steigerungszahl“ ist sichergestellt, dass es sich um einen dynamischen Besitzschutz handelt.
Die Vorschrift findet jedoch nicht für jede (Neu-)Feststellung einer Rente Anwendung. Sie ist vielmehr nur dann einschlägig, wenn eine Folgerente nach Inkrafttreten einer insoweit beachtlichen Rechtsänderung („ist nach dem maßgebenden Zeitpunkt...“) festzustellen ist.
Nach Nummer 1 ist bei Neufeststellung einer bereits „vorher“ geleisteten Rente mindestens die Steigerungszahl zugrunde zu legen, die sich nach dem zum Zeitpunkt der Feststellung der bisherigen Rente maßgeblichen Recht ergeben hätte. Da es sich um die Neufeststellung der bereits bisher geleisteten Rente (mit Ausnahme von Hinterbliebenenrenten, vgl. insoweit Nummer 4) handeln muss, sind hierunter solche Fälle zu subsumieren, in denen eine Neufeststellung der seitherigen Rentenart vorgenommen wird (z. B. nach § 97 Abs. 2, § 98 Abs. 3). Nicht erforderlich ist, dass der Anspruch auf die vorher geleistete Rente bis zum Zeitpunkt der Neufeststellung der Leistung besteht. Unabhängig von dem Unterbrechungszeitraum findet die Vorschrift deshalb auch dann Anwendung, wenn die gleiche Rentenart, nach zwischenzeitlichem Wegfall der Rente, aufgrund eines neuen Versicherungsfalles wieder zu gewähren („neu festzustellen“) ist.
Die Neuermittlung einer Steigerungszahl ist auch bei Hinzutritt oder Wegfall von rentenrechtlichen Zeiten erforderlich. Die Neuermittlung der Steigerungszahl kommt daher z. B. in Betracht, wenn nachträglich festgestellt wird, dass der Rente eine zu hohe Zahl von Beitragszeiten zugrunde lag und der Adressat des Verwaltungsakts die Rechtswidrigkeit des Bescheids infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannte. Die nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X gerechtfertigte Rücknahme des Verwaltungsakts bewirkt die - nunmehr zutreffende - Feststellung der Steigerungszahl nach dem aktuellen Recht. Diese Steigerungszahl ist mit der zu vergleichen, die sich aus dem zutreffenden Versicherungsverlauf nach dem alten Recht ergeben hätte. Soweit die Steigerungszahl nach altem Recht diejenige aufgrund des aktuellen Rechts übersteigt, ist diese entsprechend zu erhöhen. Diese Steigerungszahl ist der Rentenzahlung für Vergangenheit und Zukunft zugrunde zu legen.
Mit den Worten „bereits vorher geleistete Rente“ wird vorausgesetzt, dass vor dem Zeitpunkt der Neufeststellung ein durch Antragstellung realisierter Anspruch auf die Leistung bestanden hat. Mithin ist der Beginn bzw. das Ende der Rente im Sinne von § 30 Satz 1 i. V. m. §§ 99 Abs. 1, 100 Abs. 3 SGB VI maßgebend; ein Ruhen der Rente ist unbeachtlich.
Eine Neufeststellung der Leistung in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn eine Neuberechnung aus anderen Gründen (z. B. Änderung der Rentenhöhe wegen des Zusammentreffens mit Einkommen, die Veränderung des Zahlbetrages durch einen Zu- oder Abschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich, Erhöhung der Renten anlässlich der jährlichen Rentenanpassungen) erfolgt.
Die Bestimmung findet darüber hinaus keine Anwendung bei der Berechnung von Nachfolgerenten oder hinzutretenden Renten, da es sich nicht um die Neufeststellung der gleichen Rentenart handelt (z. B. Feststellung einer Altersrente von Amts wegen nach § 44 Abs. 1 i. V. m. § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI, vgl. jedoch Nummer 2).
Nummer 2 enthält eine der Nummer 1 entsprechende Regelung für Altersrenten, die im Anschluss an Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung zu leisten sind. Die Vorschrift hat daher insbesondere für die Feststellung einer Altersrente im Anschluss an eine EM-Rente Bedeutung (§ 44 Abs. 1 i. V. m. § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Zudem kann die Regelung bei der Zahlung einer vorzeitigen Altersrente im Anschluss an eine EM-Rente Anwendung finden.
Bedingung für die Anwendung der Vorschrift ist, dass eine EM-Rente bezogen wurde. Trotz der uneinheitlichen Wortwahl des Gesetzgebers bei Satz 2 Nr. 1 einerseits und Satz 2 Nr. 2 bis 4 andererseits ist auch hier auf den durch Antragstellung realisierten (Einzel-)Anspruch des Betreffenden (§ 30 Satz 1 i. V. m. § 99 Abs. 1, § 100 Abs. 3 SGB VI) abzustellen; ein Ruhen der Leistung ist unbeachtlich. Unter „...Ende des Bezugs...“ ist daher sowohl das Entfallen des EM-Rentenanspruchs nach § 30 Satz 1 i. V. m. § 100 Abs. 3 SGB VI (z. B. wegen Besserung des Gesundheitszustandes) als auch das Ruhen des Rentenanspruchs (z. B. nach § 27 Abs. 1 bei hinzutretender Altersrente, § 44 Abs. 1 i. V. m. § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) zu fassen.
Weiterhin wird vorausgesetzt, dass die Altersrente innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des vorausgegangenen EM-Rentenbezugs festzustellen ist. Mit dem Begriff „Feststellung“ müsste nach dem Wortlaut auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der Bescheid über die Gewährung der Rente von der LAK bekannt gegeben (§ 37 SGB X) wird. Dies würde jedoch dazu führen, dass der Besitzschutz letztlich von der Dauer des Verwaltungsverfahrens abhängig wäre. Nach Sinn und Zweck der Regelung sowie im Hinblick auf die Formulierung der von ihrer Zielrichtung vergleichbaren Vorschriften der §§ 97, 98 jeweils Abs. 4 und 5 sowie § 88 SGB VI ist der Beginn der nachfolgenden Rente innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten zu fordern. Im Gegensatz zu Satz 2 Nr. 1 ist die bisherige Steigerungszahl somit nur für die Dauer von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs der vorausgehenden Rente besitzgeschützt. Renten enden gemäß § 30 Satz 1 i. V. m. § 100 Abs. 3 SGB VI regelmäßig mit dem Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam wird. Der Beginn der Folgerente bestimmt sich nach § 30 Satz 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGB VI. Die Berechnung der Frist von 24 Kalendermonaten ist nach § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB vorzunehmen.
- Beispiel:
- Ende der EM-Rente: 31.10.2001
Zeitraum von 24 Kalendermonaten: 01.11.2001 bis 31.10.2003 - Die nachfolgende Altersrente muss deshalb vor dem 01.11.2003 beginnen.
Soweit eine Hinterbliebenenrente festzustellen ist, die im Anschluss an eine Rente aus eigener Versicherung geleistet wird, enthält Nummer 3 eine den zuvor genannten Fällen vergleichbare Bestimmung.
Die Vorschrift setzt voraus, dass der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat. In Betracht kommen die Altersrente (§ 11), vorzeitige Altersrente (§ 12) und Renten wegen EM (§ 13). Nach dem Wortlaut muss die Rente „bezogen“ worden sein (auf die entsprechenden Ausführungen zu Nummer 2 wird verwiesen).
Erforderlich ist die Feststellung einer Hinterbliebenenrente, das sind Witwen- und Witwerrenten (§ 14), Waisenrenten (§ 15) sowie die Rente an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten (§ 88). Die Hinterbliebenenrente muss spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs der Rente des Verstorbenen beginnen (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen zu Nummer 2).
Die Vorschrift ist entsprechend anzuwenden, wenn eine Hinterbliebenenrente einer Versichertenrente folgt, welche aufgrund einer durchgeführten Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person (§ 37 VersAusglG) nicht um einen Abschlag aus dem Versorgungsausgleich gemindert wurde (vgl. hierzu die Erläuterungen zu § 24 Abs. 2).
Nummer 4 regelt den Fall der nach einer zeitlichen Unterbrechung erfolgenden (Neu-)Feststellung einer gleichartigen oder anderen Hinterbliebenenrentenart. Als spezielle Regelung gegenüber Nummer 1 fordert sie bei nachfolgenden Hinterbliebenenrenten die Einhaltung der 24 Kalendermonate umfassenden Frist. Praktische Fälle sind z. B. die Gewährung einer Witwen-/Witwerrente wegen Vollendung des 45. Lebensjahres im Anschluss an einen entsprechenden Anspruch wegen Kindererziehung oder Gewährung von Vollwaisenrente nach Zahlung einer Halbwaisenrente; desgleichen, wenn der Anspruch auf Waisenrente wegen einer Unterbrechung der Ausbildung zwischenzeitlich nicht bestand.
Hinsichtlich der Bestimmung des Zeitraums von 24 Kalendermonaten sowie der Auslegung der Begriffe „Rentenbezug“ und „Rentenfeststellung“ wird auf die entsprechenden Ausführungen zu Nummer 2 verwiesen.
Rechtsfolge:
Liegt einer der in den Nummern 1 bis 4 geregelten Tatbestände vor, ist aufgrund des zum Zeitpunkt der (Erst-)Feststellung der Rente maßgebenden Rechts eine Ermittlung der Steigerungszahl der konkret festzustellenden Rentenart vorzunehmen (hypothetische Berechnung). Diese Steigerungszahl ist mit der Steigerungszahl zu vergleichen, die sich aus der Anwendung der aktuellen Rechtsvorschriften ergibt. Soweit die Steigerungszahl bei einer vorausgehenden Rente fehlerhaft zu hoch oder zu niedrig festgesetzt wurde, ist dies unbeachtlich, denn besitzgeschützt ist nicht die in der vorausgegangenen Rente enthaltene Steigerungszahl, sondern die hypothetisch - unter Beachtung der im Zeitpunkt der Feststellung der vorausgegangenen Rente geltenden Vorschriften - zu ermittelnde, rechtmäßige Steigerungszahl der konkreten Rentenart („...ergeben würde.“).
Dem Besitzschutz unterliegt die (Gesamt-)Steigerungszahl, mithin die Steigerungszahl, die sich - auch - nach Anwendung von § 97 ergibt.
Abweichend von Absatz 1 Satz 1 wird bestimmt, dass eine aufgehobene oder ersetzte Vorschrift auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung auf einen bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden ist, wenn dieser
- (spätestens) bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird und
- für Zeiten vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts realisiert werden kann (Ausnahme vom „Bearbeitungsprinzip“).
Ungeachtet des etwas missverständlichen Wortlauts (besser formuliert: § 300 Abs. 2 SGB VI) war die Regelung nicht nur für die Ablösung des GAL durch das ASRG 1995 gedacht, sondern sie ist bei allen Änderungen des ALG zu beachten, soweit es dabei zu einer Aufhebung oder Ersetzung von Einzelvorschriften kommt.
Mit dem „bis dahin bestehenden Anspruch“ ist gemeint, dass der Leistungsbeginn vor der Rechtsänderung liegen muss. Es kommt auf den monatlichen Einzelanspruch an, der Zeitpunkt der Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen (Entstehung des Stammrechts i. S. d. § 40 SGB I) ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Dabei ist unerheblich, ob der Einzelanspruch z.B. aufgrund des Zusammentreffens mit Einkommen oder Hinzuverdienst vollständig ruht.
- Beispiel:
- Der Versicherte hat im Mai 2014 die letzte materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Rente wegen EM erfüllt. Der Rentenantrag ist Anfang August 2014 bei der LAK eingegangen.
- Die Rente beginnt gemäß § 30 Satz 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGB VI am 01.06.2014 und damit vor der Änderung des § 19 Abs. 1 durch das RVLVG. Der Antrag ist bis zum Ablauf von drei KM nach Aufhebung des § 19 Abs. 1 in seiner alten Fassung gestellt worden.
- Bei der Rentenberechnung ist § 19 Abs. 1 in seiner alten Fassung anzuwenden, d. h. die Zurechnungszeit endet mit Vollendung des 60. und nicht des 62. Lebensjahres.
- Eine Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres ist nach Absatz 4 ausgeschlossen.
Aus der Regelung kann nicht geschlossen werden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen die rechtliche Bewertung des Anspruchs auch für Zeiten nach der Rechtsänderung weiterhin nach den alten Vorschriften vorzunehmen ist. Ungeachtet der insoweit nicht eindeutigen Gesetzesformulierung („...noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch...“) finden die Vorschriften des früheren Rechts nur bis zum Zeitpunkt ihres Außerkrafttretens Anwendung. Die damit eigentlich vorzunehmende Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse, § 48 SGB X, unterbleibt aber nach Absatz 4, sodass es im Ergebnis doch bei der nach den alten Vorschriften getroffenen Entscheidung bleibt.
Hat aus anderen Gründen eine Rentenneufeststellung zu erfolgen (z. B. §§ 44, 45 SGB X, Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch), ist Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 einschlägig.
Die Regelung des Absatzes 2a wurde mit dem Qualifizierungschancengesetz vom 18.12.2018 eingefügt und stellt eine Sonderregelung zum Beginn der Renten (§ 30 Satz 1 i. V. m. § 99 SGB VI) dar. Sie betrifft sowohl Renten aus eigener Versicherung als auch Renten an Hinterbliebene.
Der Gesetzesbegründung zufolge dient die Vorschrift der Gleichbehandlung von Personen, deren Rentenantrag wegen fehlender Hofabgabe abgelehnt wurde und Personen, die wegen fehlender Hofabgabe in der Vergangenheit keinen Rentenantrag gestellt haben.
Nach Wegfall des Hofabgabeerfordernisses werden nämlich bestandskräftig abgelehnte Bescheide nach Maßgabe von § 30 Satz 1 i. V. m. § 100 Abs. 4 SGB VI mit Wirkung ab 01.09.2018 neu beschieden. Für offene Antragsverfahren gilt das Bearbeitungsprinzip des § 94 Abs. 1, das heißt, die Fälle werden nach neuen Recht - ohne das Hofabgabeerfordernis - entschieden.
Durch die Regelung des Absatzes 2a wird auch für Personen, welche wegen fehlender Hofabgabe in der Vergangenheit keinen Antrag gestellt haben, abweichend von den allgemeinen Vorschriften schon ein Rentenbeginn ab dem 01.09.2018 ermöglicht. Eine Rente beginnt demnach zum 01.09.2018, wenn der Rentenantrag erstmals bis zum 31.03.2019 gestellt wird und vor dem 01.09.2018 alle Voraussetzungen mit Ausnahme der Hofabgabe erfüllt waren.
Eine wortlautgetreue Anwendung und somit ein Rentenbeginn zum 01.09.2018 kann der Gesetzesbegründung und auch dem in § 94 Abs. 1 verankerten Bearbeitungsprinzip jedoch im Einzelfall zuwiderlaufen. Die Vorschrift muss daher bezüglich der Anwendbarkeit einschränkend ausgelegt werden.
- Beispiel:
- Die Voraussetzungen für eine Rente aus eigener Versicherung liegen am 15.06.2018 vor. Der Rentenantrag wurde bereits am 01.06.2018 gestellt.
- Nach § 30 Satz 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGB VI ergibt sich ein Rentenbeginn zum 01.07.2018.
- Dieser Sachverhalt fällt nicht in den Anwendungsbereich des Absatzes 2a. Eine wortlautgetreue Anwendung würde zu einem Rentenbeginn am 01.09.2018 führen und somit eine Schlechterstellung gegenüber den an sich geltenden Vorschriften bedeuten.
Wird ein Antrag auf Rente allerdings erstmals bis zum 31.03.2019 gestellt und liegen die Anspruchsvoraussetzungen - mit Ausnahme der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens - zwischen dem 01.09.2018 und 01.01.2019 vor, wird die Rente vom Beginn des Kalendermonats an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.
Werden die Anspruchsvoraussetzungen nach dem 01.01.2019 erfüllt, richtet sich der Beginn der Renten wie gewohnt nach § 30 Satz 1 i. V. m. § 99 SGB VI.
Bei dem in Absatz 2a genannten Datum handelt es sich um eine Frist i. S. d. § 26 SGB X. Da der 31.03.2019 auf einen Sonntag fällt, findet Absatz 2a auch dann Anwendung, wenn der Antrag noch am 01.04.2019 eingeht (§ 26 Abs. 3 SGB X).
Die Regelung stellt in Satz 1 klar, dass am 31.12.1994 bestehende Leistungsansprüche allein durch die Aufhebung des GAL durch das ASRG nicht entfallen (vgl. auch die amtliche Begründung zu § 98 Abs. 3 ALG i. d. F. des Regierungsentwurfs, Materialband des GLA S. 137). Die Voraussetzung des Bestehens des Leistungsanspruchs zum Stichtag 31.12.1994 ist gegeben, wenn der Beginn der laufenden Geldleistung vor dem 01.01.1995 liegt und diese nach den alten Vorschriften festgesetzt worden war. Durch die konkrete Benennung des 31.12.1994 ist die Regelung nur beim Rechtsübergang vom Recht des GAL zu dem des ALG einschlägig.
Die Vorschrift hat nicht nur für die früheren Altersgelder usw., sondern auch für die Leistung „Beitragszuschuss“ Bedeutung. Da die §§ 3c, 4b GAL durch die §§ 32 ff. ersetzt werden und es sich bei dem Beitragszuschuss um eine Dauerleistung handelt, bleibt ein am 31.12.1994 bestehender Anspruch auf Beitragszuschuss grundsätzlich bestehen, ohne dass eine erneute Antragstellung erforderlich ist.
Nach Satz 2 erfolgt eine Ersetzung der seitherigen Bezeichnungen für gleiche Sachverhalte oder Ansprüche durch die mit dem ASRG eingeführten neuen Bezeichnungen. In Satz 3 wird dies konkretisiert durch eine Gegenüberstellung der alten Bezeichnungen für laufende Geldleistungen des GAL und den entsprechenden neuen Begriffen des ALG.
Hat die Leistung nicht vor dem 01.01.1995 begonnen und sieht das neue Recht diese Leistung nicht mehr vor, ist eine Bewilligung ausgeschlossen.
- Beispiel:
- Ein Empfänger von Altersgeld verstirbt im November 1994. Die Witwe, 40 Jahre alt, kinderlos und nicht erwerbsunfähig nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht (§ 44 Abs. 2 SGB VI a. F.), beantragt erst im April 1995 eine Witwenrente.
- Da kein Fall des Absatzes 2 vorliegt (Antragstellung nach dem 31.03.1995), ist nach der Grundregel des Absatzes 1 neues Recht anzuwenden. Dieses (§ 14) sieht für Fälle wie den vorliegenden keinen Anspruch auf Witwenrente vor.
- Ein Fall des Absatzes 3 liegt ebenfalls nicht vor. Zwar hätte der Anspruch nach altem Recht (§ 3 Abs. 1 Buchst. a GAL) nach § 10 Abs. 2 GAL vor dem 01.01.1995 begonnen, aber er wurde nicht innerhalb von drei Kalendermonaten geltend gemacht.
- Die Witwe hat also keinen Anspruch auf Witwenrente. Hätte sie dagegen den Antrag im März 1995 gestellt, wäre ihr nach Absatz 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Buchst. a GAL Witwenrente (wegen der Umbenennung vgl. Satz 3) rückwirkend ab 01.12.1994 zu gewähren.
Die Änderung rentenrechtlicher Vorschriften hat nach dem Grundsatz des Absatzes 1 Satz 1 zur Folge, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Vorschriften alle bereits vorher beurteilten Sachverhalte oder entschiedenen Ansprüche nach dem neuen Recht mit Wirkung für die Zukunft zu beurteilen sind. Dies würde bedeuten, dass z. B. jede Rente, die bereits vor dem Zeitpunkt der Rechtsänderung gezahlt wurde, neu festzustellen wäre. Die Änderung insoweit maßgeblicher Vorschriften ist eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse i. S. v. § 48 SGB X, sodass zumindest für die Zukunft mit einer teilweisen Aufhebung sämtlicher Rentenbescheide zu reagieren wäre. Indem dies ausgeschlossen wird, soll einerseits die Funktionsfähigkeit der Alterskasse gewährleistet und andererseits das Vertrauen der Rentenbezieher geschützt werden.
Bemerkenswert ist, dass die Neubestimmung der Rente aus Anlass der Änderung rentenrechtlicher Vorschriften in Gänze ausgeschlossen wird. Hingegen bestimmt § 306 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich nur den Ausschluss der Neubestimmung der persönlichen Entgeltpunkte aus Anlass einer Rechtsänderung. Die Regelung sollte in Anbetracht ihrer Zielrichtung im Lichte von § 306 Abs. 1 SGB VI einschränkend ausgelegt werden. Anderenfalls blieben Renten, auf die bereits vor einer Rechtsänderung Anspruch bestand, grundsätzlich von jeder zukünftigen Modifikation die Rentenzahlung tangierender Regelungen unberührt, es sei denn, der Gesetzgeber würde ausdrücklich Ausnahmen von diesem Grundsatz bestimmen. Dies hätte jedoch u. a. zur Folge, dass die Alterskasse seit Inkrafttreten des ASRG 1995 die Anpassung des allgemeinen Rentenwerts, zweifelsohne eine rentenrechtliche Vorschrift, bezogen auf Bestandsrenten nicht nachvollziehen könnte, da im ALG eine entsprechende Ausnahmebestimmung i. S. v. Absatz 6 nicht enthalten ist.
Der sich nicht auf die Steigerungszahl beziehende Wortlaut dürfte darin begründet liegen, dass der Regierungsentwurf eines ASRG 1995 die Umrechnung des nach § 97 zu ermittelnden Zuschlagbetrages in eine Steigerungszahl noch nicht vorsah, dies vielmehr erst durch den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. (BT-Drs. 12/5889) geschah, vgl. § 97 Abs. 11. Die trotzdem unterbliebene Anpassung des Wortlauts der Vorschrift dürfte auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers beruhen. Auch ist kein sachlicher Grund für einen gegenüber der GRV weitergehenden Besitzschutz ersichtlich.
Die Regelung verhindert aber auch die Berücksichtigung von Rechtsänderungen zugunsten der Rentenberechtigten (vgl. allgemeiner Teil der amtlichen Begründung zu dem Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drs. 11/4124 und 11/4452: „Dieser Grundsatz ergibt sich daraus, dass aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes laufende Renten nicht gekürzt werden und aus finanziellen Gründen bei den laufenden Renten nicht nur Verbesserungen erfolgen können“). Soweit ein Änderungsgesetz daher nicht ausdrücklich Ausnahmen von diesem Grundsatz bestimmt, bleibt die Steigerungszahl einer Bestandsrente (d. h. einer Rente, auf die bereits vor dem Zeitpunkt einer Rechtsänderung Anspruch bestand, vgl. auch § 98) unverändert.
Die Regelung ist auch anzuwenden, wenn bei einer Rente wegen Todes die Befristung verlängert wird und sich zwischenzeitlich rentenrechtliche Vorschriften geändert haben, die eigentlich eine Neuberechnung bewirken müssten. Im Zuge der Verlängerung einer Befristung kommt es also nicht zu einer Neuberechnung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich durch Änderung des § 19 Abs. 1 bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres erweiterten Zurechnungszeiten. Dies folgt daraus, dass die Verlängerung der Befristung keinen neuen Rentenanspruch schafft, § 30 Satz 1 i. V. m. § 102 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI (für Witwen-/Witwerrenten wegen Kindererziehung) bzw. i. V. m. § 102 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI (für Waisenrenten).
Die Regelung gewährleistet, dass eine nach früherem Recht vorgenommene getrennte Auszahlung an den Ehegatten (§ 29 Abs. 4 GAL) über den 31.12.1994 hinaus fortgesetzt werden kann.
Voraussetzung ist, dass am 31.12.1994 eine Rente an Landwirte gezahlt wurde und dass diese in Höhe eines Drittels des Zahlbetrages an den Ehegatten des Leistungsempfängers ausgezahlt wurde. War dies der Fall, ist die Rente auch nach Inkrafttreten des ALG in Höhe eines Drittels an den Ehegatten des Anspruchsberechtigten weiter auszuzahlen. Der Wortlaut („...ist die Rente in Höhe von...“) schließt die Anwendung von Absatz 5 für den Fall nicht aus, dass im Anschluss an eine nach § 29 Abs. 3 GAL, § 94 Abs. 5 gesplittet ausgezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente (nunmehr Rente wegen voller EM, vgl. § 95a Abs. 1) eine Altersrente zu zahlen ist. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die sicherstellen will, dass die nach dem am 31.12.1994 geltenden Recht - gesplittet - gezahlten laufenden Geldleistungen der LAKen auch zukünftig in Höhe eines Drittels an den Ehegatten des Leistungsempfängers auszuzahlen sind. Sollte der Ehegatte zukünftig einen eigenen Anspruch auf Rente nach dem ALG haben, ist Absatz 5 nicht mehr anzuwenden.
Trotz des rechtsbereinigenden Grundsatzes von Absatz 1 Satz 1 sind für eine Reihe von Sachverhalten aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Übergangsregelungen getroffen worden, in denen von den ersten vier Kapiteln abweichende Rechtsfolgen bestimmt sind. Diese Ausnahmen sind - entgegen dem Wortlaut - nicht nur in den nachfolgenden, sondern auch in vorangehenden Regelungen zu finden (so z. B. in § 84 Abs. 1 und 2, § 85 Abs. 1 und 6).