§ 27
Zusammentreffen von Renten
(1) 1Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf Altersrente und Rente wegen Erwerbsminderung oder mehrere Ansprüche auf Witwenrente, Witwerrente oder Waisenrente, wird nur eine Rente geleistet. 2§ 89 Absatz 1 Satz 3 bis 7 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(2) 1Besteht für denselben Zeitraum aus den Rentenanwartschaften eines Versicherten Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente für mehrere Berechtigte, erhält jeder Berechtigte den Teil der Witwenrente oder Witwerrente, der dem Verhältnis der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten zu der Dauer der Ehen des Versicherten mit allen Berechtigten entspricht. 2Dies gilt nicht für Witwen oder Witwer, solange der Rentenartfaktor 1,0 beträgt. 3Ergibt sich aus der Anwendung des Rechts eines anderen Staates, dass mehrere Berechtigte vorhanden sind, erfolgt die Aufteilung nach § 34 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch.
Die Vorschrift enthält in Satz 1 ein Verbot der Rentenhäufung, indem sie bestimmt, dass beim Zusammentreffen gleichartiger Rentenansprüche (z. B. von Altersrente mit Rente wegen voller EM, von Witwenrenten nach dem letzten und vorletzten Ehegatten) nur eine Leistung erbracht wird; die andere Rente ruht.
Geleistet wird die für den Versicherten günstigere Rente. Dabei wird es sich in der Regel um die Rente mit dem höheren Zahlbetrag handeln. Jedoch können bei gleichhohen Renten auch andere, außerhalb des ALG liegende Umstände zur Bestimmung der zu zahlenden „günstigeren” Rente führen.
- Beispiel:
- Ein hinterbliebener Ehegatte hat einen Anspruch sowohl nach § 14 Abs. 1 als auch nach § 14 Abs. 2. Die Renten sind gleich hoch.
- Da die Rente nach § 14 Abs. 2 nicht auf eine Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten der GRV angerechnet wird (§ 90 Abs. 1 SGB VI), ist nur diese zu leisten.
Im Umkehrschluss ergibt sich aus Absatz 1, dass Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten grundsätzlich zusammentreffen können; insoweit wird das Konkurrenzverhältnis durch die Bestimmung über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes, § 28 i. V. m. § 97 SGB VI, gelöst.
Satz 2 wurde mit Wirkung vom 05.12.2018 (Artikel 3 Nr. 2 des RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetzes vom 28.11.2018, BGBl. I S. 2016) angefügt und ordnet die entsprechende Anwendung der zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getretenen Sätze 3 bis 7 des § 89 Abs. 1 SGB VI an.
Neben den Umstellungen von Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung in Renten wegen voller Erwerbsminderung sind in der Alterssicherung der Landwirte von der Neuregelung insbesondere Hinzutritte von Altersrenten zu Renten wegen Erwerbsminderung betroffen. Miterfasst werden auch Vollwaisenrenten welche zu einer Halbwaisenrente hinzutreten.
Mit Inkrafttreten der Neuregelung sind bei einem rückwirkenden Zusammentreffen von Renten, die erstbewilligten Renten mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Regelung stellt sowohl in Fällen des § 45 SGB X als auch in Fällen des § 48 SGB X eine spezialgesetzliche Regelung dar. Nicht anzuwenden sind auch die Vorschriften über die Anhörung Beteiligter (§ 89 Abs. 1 Satz 4 SGB VI).
Kommt es zu einem rückwirkenden Zusammentreffen von Leistungen, gilt nach § 89 Abs. 1 Satz 5 SGB VI für den Zeitraum bis zum Aufhebungszeitpunkt der Anspruch auf die höhere Rente bis zur Höhe der niedrigeren Rente als erfüllt (Erfüllungsfiktion). Übersteigt die neu hinzutretende Rente den Betrag der niedrigeren Rente, wird nur der übersteigende Betrag ausgezahlt:
- Beispiel:
- Landwirt „L“ bezieht seit 01.05.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Seit 01.07.2018 beträgt die Rente mtl. 350,00 EUR brutto.
- Mit Erreichen seiner Regelaltersgrenze am 15.11.2018 steht „L“ ab 01.12.2018 eine Regelaltersrente in Höhe von mtl. 370,00 EUR brutto zu.
- Mit Bescheid vom 10.02.2019 wird „L“ rückwirkend zum 01.12.2018 eine Regelaltersrente bewilligt. Die laufende Zahlung der Regelaltersrente erfolgt zum 01.03.2019.
- Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB VI ist der Bescheid über die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.03.2019 aufzuheben. Einer Anhörung nach § 24 SGB X bedarf es nicht (§ 89 Abs. 1 Satz 4 SGB VI). Da die Rente wegen EM nur für die Zukunft aufzuheben ist, entsteht somit auch keine Rückforderung der Rente.
- Nach Satz 5 der Vorschrift tritt für die aus der Regelaltersrente entstandene Nachzahlung eine Erfüllungsfiktion ein. Die Rente wegen Erwerbsminderung beträgt für den Zeitraum des rückwirkenden Zusammentreffens mtl. 350,00 EUR brutto. In dieser Höhe gilt der Anspruch auf Regelaltersrente als erfüllt. Die Regelaltersrente übersteigt in dem Zeitraum die Rente wegen Erwerbsminderung um mtl. 20,00 EUR brutto. Diesen Spitzbetrag erhält „L“ als Nachzahlung aus seiner Regelaltersrente.
Liegen im Einzelfall Erstattungsansprüche bezüglich der Nachzahlung vor, sind zudem die Sätze 6 und 7 des § 89 Abs. 1 SGB VI zu beachten.
Die Vorschrift regelt die Aufteilung der Witwen- und Witwerrenten auf mehrere Berechtigte nach dem Verhältnis der Dauer der Ehe. Berechtigt in diesem Sinne ist nur, wer einen Zahlungsanspruch gegenüber der LAK hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Anspruch in voller Höhe ruht (BSG, 21.04.1999 - B 5/4 RA 90/97 R, Breithaupt 1999 Nr. 177).
Ausgeschlossen ist nach Satz 1, dass die Versichertengemeinschaft durch mehr als nur eine einzige Hinterbliebenenrente belastet wird, wenn der Versicherte mehrfach verheiratet war (BSG, 27.04.1982 - 1 RJ 84/80, BSGE 53, 235). Sind mehrere Hinterbliebenenrentenberechtigte vorhanden, steht jedem von ihnen nur ein Recht auf Beteiligung an der einen Hinterbliebenenrente in Höhe des der Dauer seiner Ehe mit dem Versicherten entsprechenden Anteils zu (BSGE 60, 110).
Die Aufteilungsregelung des Satzes 1 gilt gemäß Satz 2 nicht, solange der Rentenartfaktor nach § 23 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 1,0 beträgt (so genanntes Sterbevierteljahr). Weil die Renten der übrigen Berechtigten nicht mit einem Rentenartfaktor von 1,0 ermittelt werden, erhalten sie auch bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach dem Todesmonat nur die anteilige Rente.
Gemäß Satz 3 bleibt die Sonderregelung des § 34 Abs. 2 SGB I für den Fall unberührt, dass sich gemäß Internationalem Privatrecht aufgrund des Rechts eines anderen Staates eine Mehrheit von verwitweten Ehegatten ergibt. Auch nach dieser Bestimmung erfolgt eine Aufteilung auf mehrere Ehegatten, sofern diese nach dem Recht eines anderen Staates gleichzeitig mit dem Versicherten verheiratet waren, also sogenannte polygame Ehen vorlagen.