§ 91
Wartezeit für Ehegatten befreiter Landwirte
Die Wartezeit von 15 Jahren gilt für Versicherte nach § 1 Abs. 3 als erfüllt, wenn sie
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vor dem 2. Januar 1955 geboren sind,
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am 31. Dezember 1994 mit einem zu diesem Zeitpunkt von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte befreiten Landwirt verheiratet sind und
- vom 1. Januar 1995 bis zum Beginn einer Altersrente anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt haben oder nur deshalb nicht zurückgelegt haben, weil Versicherungspflicht nach § 1 nicht bestanden hat, Versicherungsfreiheit nach § 2 oder eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 vorlag.
Erläuterungen
Die Vorschrift eröffnet Ehegatten von befreiten Landwirten die Möglichkeit, die 15-jährige Wartezeit für eine Altersrente (§§ 11, 12 Abs. 1) zu erfüllen, ohne tatsächlich entsprechend lange Zeiten zurückgelegt zu haben. Die Vorschrift erfasst in erster Linie die Ehegatten befreiter Nebenerwerbslandwirte (vgl. Nummer 2).
Versicherte nach § 1 Abs. 3
Der Wortlaut lässt offen, zu welchem Zeitpunkt eine auf § 1 Abs. 3 beruhende Versicherungspflicht vorgelegen haben muss. Es reicht deshalb aus, dass zu irgendeinem Zeitpunkt - wegen § 92 Abs. 2 Satz 1 auch vor dem 01.01.1995 - Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 vorgelegen hat. Ein Missbrauch der Regelung ist nicht zu befürchten, weil der Kreis der begünstigten Personen insoweit von Nummer 2 von vornherein auf Ehegatten von befreiten Landwirten beschränkt ist.
Dass eine durchgängige, ab dem 01.01.1995 vorliegende Versicherung nach § 1 Abs. 3 nicht gefordert werden kann, folgt auch im Umkehrschluss aus Nummer 3, die alle Beitragszeiten nach § 18 genügen lässt.
Das Abstellen auf eine am 01.01.1995 und/oder zum Zeitpunkt des Rentenbeginns (vgl. Nummer 3) vorliegende Versicherung nach § 1 Abs. 3 ließe - zweckwidrig - die Wartezeitfiktion immer dann scheitern, wenn der befreite Landwirt das Unternehmen nicht bis zum Rentenbeginn des Ehegatten geführt hat.
Dass auch eine Versicherung nach § 1 Abs. 3 vor dem 01.01.1995 genügt, zeigt folgendes
- Beispiel:
- Der erst nach seinem 60. Lebensjahr von der Beitragspflicht befreite Landwirt hat weniger als 15, aber auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten i. S. v. § 90 zurückgelegt (01.07.1981 bis 31.10.1993). Er lebt von seiner 10 Jahre jüngeren, aber vor dem 02.01.1955 geborenen Ehefrau seit Sommer 1994 dauernd getrennt.
- Der Ehefrau werden die auf die Ehezeit entfallenden Beiträge nach § 92 Abs. 1 zugesplittet; sie gelten gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 als Zeiten der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3. Nach dem 31.12.1994 legt sie infolge des dauernden Getrenntlebens keine Versicherungszeiten nach § 1 Abs. 3 zurück.
- Die Ehefrau war in der Zeit von Juli 1981 bis Oktober 1993 nach § 1 Abs. 3 versichert und erfüllt alle Voraussetzungen der Nummern 1 - 3. Mithin gilt die 15-jährige Wartezeit als erfüllt.
Nummer 1
Begünstigt sind nur Versicherte, die am 01.01.1995 bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatten (bei Geburt am 01.01.1955 ist das 40. Lebensjahr mit Ablauf des 31.12.1994 vollendet worden, §§ 187 Abs. 2 Satz 2, 188 Abs. 2 BGB).
Nummer 2
Am 31.12.1994 muss eine rechtsgültige Ehe mit einem von der Beitragspflicht befreiten Landwirt bestanden haben.
Eine Ehe bestand zu diesem Zeitpunkt nicht, wenn bereits ein rechtskräftiges Scheidungsurteil ergangen war (§ 1564 BGB).
Ungeachtet des auf die Befreiung nach dem GAL bezugnehmenden Wortlauts („...von der Beitragspflicht in der Altershilfe für Landwirte...“) genügt auch eine nach den Vorschriften des ALG (§ 3 i. V. m. § 94 Abs. 1) für Zeiten vor dem 01.01.1995 auszusprechende Befreiung von der Versicherungspflicht.
Eine am 31.12.1994 vorliegende Befreiung von der Versicherungspflicht ist denkgesetzlich nur dann möglich, wenn dem Grunde nach Versicherungspflicht bestanden hat. Daher greift die Regelung nicht, wenn der befreite Landwirt das Unternehmen vor dem 31.12.1994 abgegeben hat.
Nummer 3
Die Wartezeitfiktion kommt nur denjenigen Ehegatten zugute, für die in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum Beginn der Altersrente grundsätzlich lückenlos Beiträge gezahlt worden sind. Der Beginn der Altersrente ergibt sich aus § 30 Abs. 1 i. V. m. § 99 SGB VI. Das Lückenlosigkeitserfordernis ergibt sich im Umkehrschluss aus den von ihm zugelassenen Ausnahmen („oder nur deshalb nicht...“; ebenso der schriftliche Bericht, BT-Drs. 13/3057 (Materialband des GLA S. 241)).
Zu berücksichtigen sind sämtliche nach § 18 anzurechnenden Beitragszeiten nach dem 31.12.1994, unabhängig davon, ob es sich um Pflichtbeiträge als Landwirt (§ 1 Abs. 2 oder 3), als mitarbeitender Familienangehöriger (§ 1 Abs. 8), als Weiterversicherter (§ 84 Abs. 1 bis 3) oder als freiwillig Versicherter bzw. freiwillig Weiterversicherter (§§ 4, 5, 85 Abs. 7) handelt.
Weil sämtliche nach dem 31.12.1994 gezahlten Beiträge auf die Wartezeit anrechenbar sind (§§ 17 Abs. 1 Satz 1, 18), hat das Merkmal der Anrechenbarkeit hier keine eigenständige Bedeutung.
„Zurückgelegt“ sind solche Zeiten, in denen Beiträge tatsächlich gezahlt wurden und nicht nur als gezahlt gelten. Welche Zeiten ab 01.01.1995 damit ausgegrenzt werden könnten, ist nach derzeitiger Rechtslage nicht ersichtlich.
Beitragslücken sind unschädlich, soweit der Ehegatte
- bereits dem Grunde nach nicht versicherungspflichtig nach § 1 war (z. B. Unterschreiten der Mindestgröße, Hofabgabe, dauerndes Getrenntleben der Ehegatten, Eintritt von nicht arbeitsmarktbedingter Erwerbsunfähigkeit, Entfallen der Eigenschaft als mitarbeitender Familienangehöriger),
- versicherungsfrei war (z. B. nach § 2),
- von der Versicherungspflicht wegen bestehender Rentenversicherungspflicht (oder gleichgestellter Tatbestände) aufgrund
- - Kindererziehung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) oder
- - Pflege eines Pflegebedürftigen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) befreit war.
Hingegen schließt eine Befreiung von der Versicherungspflicht z. B. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 die Anwendung der Vorschrift aus.