§ 83
Besonderheiten für das Beitrittsgebiet
(1) 1Soweit Vorschriften dieses Gesetzes an die Bezugsgröße anknüpfen, ist die Bezugsgröße (Ost) maßgebend, wenn die Einnahmen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt werden. 2Soweit Vorschriften dieses Gesetzes bei Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Erwerbsminderung und vorzeitige Altersrenten an die Bezugsgröße anknüpfen, ist die monatliche Bezugsgröße mit dem allgemeinen Rentenwert (Ost) zu vervielfältigen und durch den allgemeinen Rentenwert zu teilen, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus der Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt wird; dies gilt nicht, soweit in einem Kalendermonat Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet erzielt wird.
(2) Soweit Vorschriften dieses Gesetzes bei der Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes an den aktuellen Rentenwert anknüpfen, ist der aktuelle Rentenwert (Ost) der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend, wenn der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hat.
(3) Soweit Vorschriften dieses Gesetzes an den Wirtschaftswert anknüpfen, treten im Beitrittsgebiet an die Stelle des Wirtschaftswerts der Ersatzwirtschaftswert nach § 125 des Bewertungsgesetzes und an die Stelle des Einheitswertbescheids der Grundsteuermessbescheid, solange noch kein Einheitswert nach dem Bewertungsgesetz festgestellt worden ist; insoweit ist § 1 Abs. 6 Satz 2 und 3 nicht anzuwenden.
(4) Bei der Bestimmung der Hektarwerte der gärtnerischen Nutzungsteile durch Rechtsverordnung nach § 6 kann bis zum 30. Juni 2024 den besonderen Verhältnissen im Beitrittsgebiet Rechnung getragen werden.
Satz 1 betrifft Vorschriften, die an die Bezugsgröße anknüpfen. Falls Einnahmen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 SGB IV) erzielt werden, tritt die Bezugsgröße (Ost) - vgl. auch § 18 Abs. 2 SGB IV - an die Stelle der Bezugsgröße (West). Da die Regelung an den Ort der Beschäftigung oder Tätigkeit anknüpft, ist sie auch dann einschlägig, wenn z. B. ein Landwirt mit Betriebs- und Wohnsitz im alten Bundesgebiet einer Beschäftigung in einem der neuen Länder nachgeht.
Die Hinzuverdienstgrenzen des § 27a werden - mit Ausnahme der Hinzuverdienstgrenze für eine in voller Höhe gewährte EM-Rente wegen voller Erwerbsminderung - ab 01.01.2008 unter Zugrundelegung der Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV) bestimmt. Das Gleiche gilt auch für die zum 01.01.2019 eingeführten Hinzuverdienstgrenzen bei vorzeitigen Altersrenten (§ 27b). Wird das insoweit zu berücksichtigende Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) oder Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) ausschließlich aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt, ist nach Satz 2 nicht die Bezugsgröße Ost (§ 18 Abs. 2 SGB IV), sondern die im Verhältnis des aRw Ost zum aRw geminderte Bezugsgröße maßgebend. Nur so ließ sich erreichen, dass die Hinzuverdienstgrenzen einerseits der Einkommensentwicklung folgen, was bei einer Anbindung an den Rentenwert u. a. wegen des Nachhaltigkeitsfaktors (§ 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 4 SGB VI) nicht mehr gewährleistet ist, und sich andererseits die Hinzuverdienstgrenzen im Beitrittsgebiet zum 01.01.2008 nicht verminderten (Näheres Wirth, SdL 2006, S. 261, 283 f.).
Als Hinzuverdienstgrenze für eine in voller Höhe gewährte Erwerbsminderungsrente wegen voller Erwerbsminderung gilt nach § 27a Abs. 2 Nr. 2 unabhängig vom Ort der Einkommenserzielung ab dem 01.01.2013 ein Festbetrag von 450 EUR (vgl. § 27a). Entsprechendes gilt auch für die Hinzuverdienstgrenze für eine vorzeitige Altersrente in voller Höhe (§ 27b Abs. 2 Nr.1).
Hinsichtlich der variablen Grenzen wird die Bezugsgröße zunächst mit dem allgemeinen Rentenwert (Ost) vervielfältigt und dann durch den allgemeinen Rentenwert geteilt. Das Ergebnis ist gem. §§ 123 Abs. 1, 121 Abs. 2 SGB VI auf zwei Dezimalstellen zu runden. Der erhaltene Wert wird mit den in § 27a Abs. 2 bzw. § 27b Abs. 2 vorgegebenen Werten vervielfältigt.
Die Anpassung der für das Beitrittsgebiet geltenden Hinzuverdienstgrenzen erfolgt zum 01.01. eines jeden Jahres auf die Änderung der Bezugsgröße (§ 18 Abs. 1 SGB IV) und erneut zum 01.07. eines jeden Jahres auf die Erhöhung der Rentenwerte.
- Beispiel 1:
- Berechnung der Hinzuverdienstgrenze (Stand 01.01.2020) bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe einer 3/4 Rente (§ 27a Abs. 2 Nr. 3)
- Die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt zum 01.01.2020 monatlich 3.185 EUR. Der allgemeine Rentenwert beträgt am 01.01.2020 15,26 EUR, der allgemeine Rentenwert Ost 14,70 EUR.
- Auf dieser Basis ergibt sich eine nach dem Verhältnis der Rentenwerte geminderte Bezugsgröße i. H. v. (3.185 EUR x 14,70 EUR / 15,26 EUR =) 3.068,12 EUR, die der Berechnung der variablen Hinzuverdienstgrenzen zugrunde zu legen ist.
- Die Hinzuverdienstgrenze (Stand 01.01.2020) beträgt bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe einer 3/4 Rente:
- 0,51 x 3.068,12 EUR = 1.564,74 EUR.
- Beispiel 2:
- Berechnung der Hinzuverdienstgrenze (Stand 01.07.2020) bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe einer 3/4 Rente (§ 27a Abs. 2 Nr. 3)
- Die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt zum 01.07.2020 monatlich 3.185 EUR. Der allgemeine Rentenwert beträgt am 01.07.2020 15,79 EUR, der allgemeine Rentenwert Ost 15,32 EUR.
- Auf dieser Basis ergibt sich eine nach dem Verhältnis der Rentenwerte geminderte Bezugsgröße i. H. v. (3.185 EUR x 15,32 EUR / 15,79 EUR =) 3.090,20 EUR, die der Berechnung der variablen Hinzuverdienstgrenzen zugrunde zu legen ist.
- Die Hinzuverdienstgrenze (Stand 01.07.2020) beträgt bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe einer 3/4 Rente:
- 0,51 x 3.090,20 EUR = 1.576,00 EUR.
Bei gewöhnlichem Aufenthalt des Rentenberechtigten im Beitrittsgebiet ist für die Berechnung des Einkommensfreibetrags (vgl. Erläuterungen zu §§ 28 und 106a) der aktuelle Rentenwert (Ost) maßgebend.
Da die Vorschrift unmissverständlich an den gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft, gilt dies auch dann, wenn der Hinterbliebenenrentenbezieher seinen Wohnsitz nach dem 18.05.1990 in das Beitrittsgebiet verlegt hat. Ist in einem solchen Fall auf die Rente Einkommen anzurechnen, kann sich durch den niedrigeren Freibetrag eine geringere Witwen- bzw. Witwerrente ergeben (BSG, 19.10.2000 - B 8 KN 8/ 99 R).
Nach § 125 Abs. 1 BewG werden Einheitswerte, die im Beitrittsgebiet nach den Wertverhältnissen vom 01.01.1935 festgestellt worden sind, nicht mehr angewendet. Andererseits ist eine an das Eigentum und die einzelbetrieblichen Verhältnissen anknüpfende Einheitsbewertung angesichts ungeklärter Eigentumsfragen und anderer Unwägbarkeiten wie einer lückenhaften Bodenschätzung vorerst nicht möglich. Deshalb werden nach § 125 Abs. 2 ff. BewG Ersatzwirtschaftswerte für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen ermittelt. Die Ermittlung weicht in zweifacher Hinsicht vom Normalrecht ab:
- Bewertet werden ohne Rücksicht auf Eigentumsverhältnisse alle Flächen, die von einem Nutzer (das kann der Eigentümer, Pächter oder ein anderweitig zur Nutzung Berechtigter sein) bewirtschaftet werden („Nutzungseinheit“, § 125 Abs. 2 BewG);
- hinsichtlich der natürlichen und wirtschaftlichen Ertragsbedingungen werden ausschließlich die in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnisse zugrunde gelegt (§ 125 Abs. 4 BewG). Gegend i. d. S. ist in der Regel die Gemeinde. Bei Acker und Grünland tritt also die durchschnittliche Ertragsmesszahl der Gemeinde an die Stelle der konkreten Acker- und Grünlandzahlen der zu bewertenden Einzelflächen.
Der Ersatzwirtschaftswert dient nach § 126 BewG ausschließlich der Festsetzung der Grundsteuer und bildet einen unselbstständigen Bestandteil des Grundsteuermessbescheides.
In den Fällen, in denen nach Erteilung des Einheitswertbescheides durch das Finanzamt der Maßstab des Wirtschaftswertes unmittelbar Anwendung finden kann, hat ggf. eine Korrektur des nach § 32 Abs. 6 zu ermittelnden Arbeitseinkommens zu erfolgen (§ 34 Abs. 4). Maßgebender Zeitpunkt ist insoweit der im Einheitswertbescheid enthaltene Bewertungsstichtag.
Während der Anwendung des Ersatzwirtschaftswertes wird die Anwendung der Wirtschaftswertmodifikationen des § 1 Abs. 6 ausgeschlossen. Da im Ersatzwirtschaftswert ohnehin die gesamte Betriebsfläche des Landwirts („Nutzungseinheit”, s. o.) bewertet ist, besteht ein entsprechendes Bedürfnis nicht.
Die nach § 6 vorgesehene Rechtsverordnung, die bisher nicht ergangen ist, kann bis zur Angleichung der Einkommensverhältnisse in Deutschland bei der Bestimmung der Hektarwerte der gärtnerischen Nutzungsteile den Verhältnissen im Beitrittsgebiet angemessen, d. h. abweichend von den Hektarwerten im alten Bundesgebiet, Rechnung tragen.