§ 72
Wiederauffüllung geminderter Anrechte
(1) Im Rahmen des Versorgungsausgleichs können Beiträge gezahlt werden, um Anrechte, die um einen Abschlag von der Steigerungszahl gemindert worden sind, ganz oder teilweise wieder aufzufüllen.
(2) 1Die Beiträge werden auf der Grundlage des auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Abschlags von der Steigerungszahl (§ 24 Abs. 2, § 101) ermittelt; für jeden vollen Wert ist das Zwölffache des Betrages zu zahlen, der nach § 68 als Beitrag für das Jahr, in dem die Beiträge gezahlt werden, maßgebend ist. 2Für die Wirksamkeit der Beitragszahlung gilt § 187 Absatz 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters ist eine Beitragszahlung zur Wiederauffüllung nicht zulässig.
(3) Sind Beiträge nach Absatz 1 gezahlt worden und ergeht eine Entscheidung zur Abänderung des Wertausgleichs nach der Scheidung, sind im Umfang der Abänderung zu viel gezahlte Beiträge unter Anrechnung gewährter Leistungen zurückzuzahlen.
Dem Ausgleichspflichtigen wird das Recht eingeräumt, die durch einen Versorgungsausgleich zu seinen Lasten geminderten Anrechte wieder aufzufüllen. Die Auffüllung hat durch die Entrichtung von Beiträgen zur LAK zu erfolgen. Die geminderten Anrechte können dabei sowohl in voller Höhe als auch teilweise ausgeglichen werden. Der Ausgleich darf den Wert der übertragenen Anrechte jedoch nicht übersteigen. Zu dieser Nachentrichtung ist nur der ausgleichspflichtige Ehegatte berechtigt.
Höhe der Beitragszahlung
Nach Satz 1 richtet sich die Höhe des Beitrags zur Wiederauffüllung verlorener Anrechte nach dem im Zeitpunkt der Entrichtung des Wiederauffüllungsbeitrags geltenden Monatsbeitrag (§ 68). An die Stelle des Zeitpunkts der Beitragsentrichtung tritt nach Satz 2 i. V. m. § 187 Abs. 5 Satz 1 SGB VI die günstigere am Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit geltende Beitragshöhe, wenn der Ausgleichspflichtige die Beiträge innerhalb einer Dreimonatsfrist (bei Auslandsaufenthalt Sechsmonatsfrist) nach Zugang der Mitteilung über die Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts entrichtet.
Ist der Versorgungsausgleich nicht Folgesache im Sinne von § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, tritt an die Stelle des Zeitpunkts des Endes der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit der Eingang des Antrags auf Durchführung des Versorgungsausgleichs beim Familiengericht (§ 187 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Im Abänderungsverfahren tritt an die Stelle des Zeitpunkts des Endes der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit oder des in Satz 2 genannten Zeitpunkts der Eingang des Abänderungsantrags beim Familiengericht (§ 187 Abs. 5 Satz 3 SGB VI).
War das Verfahren über den Versorgungsausgleich durch das Familiengericht ausgesetzt, tritt entsprechend § 187 Abs. 5 Satz 4 SGB VI an die Stelle des Endes der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit oder des in Satz 2 oder 3 genannten Zeitpunkts der Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens.
Der Beitrag zur Wiederauffüllung wird ermittelt, indem der durch das Familiengericht festgestellte Abschlag an der Steigerungszahl mit dem 12-fachen des Monatsbeitrags multipliziert wird.
- Beispiel 1:
- Bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.11.2009 hat das Familiengericht B aus der Versicherung von A in der AdL einen Versorgungsausgleich in Höhe einer Steigerungszahl von 5,9143 zugesprochen. Die Rechtskraftmitteilung ist der LAK am 13.10.2010 eingegangen. A möchte im Dezember 2018 den Abschlag aus seinem Versorgungsausgleich durch Wiederauffüllung ausgleichen. Der Abschlag wurde auf der Basis von in den alten Bundesländern entrichteten Beiträgen ermittelt.
- Monatsbeitrag / West x 12 = Beitrag für Steigerungszahl 1
- 246 € x 12 = 2.952 €
- Beitrag für Steigerungszahl 1 x Abschlag an der Steigerungszahl = Beitrag zur Wiederauffüllung
- 2.952 € x 5,9143 = 17.459,01 €
Der im Beispiel errechnete Beitrag zur Wiederauffüllung ist der Höchstbetrag, der in diesem Fall zur Wiederauffüllung geminderter Anrechte entrichtet werden kann. Der Abschlag an der Steigerungszahl kann nach Absatz 1 auch teilweise aufgefüllt werden. Bei der Berechnung der Rente ist zu beachten, dass nach einer Wiederauffüllung nicht der Abschlag an der Steigerungszahl zu mindern, sondern die um den Abschlag verminderte Steigerungszahl um einen Zuschlag zu erhöhen ist, wobei der Abschlag die Höchstgrenze des Zuschlags bildet (§ 24 Abs. 1 Satz 2).
- Beispiel 2:
- Der Ausgleichspflichtige zahlt statt 17.459,01 € nur 10.000 € zur Wiederauffüllung. Die aus seinen Versicherungszeiten ermittelte Steigerungszahl (STZ) beträgt 29,9880.
- Ermittlung des Zuschlags auf Grund der Wiederauffüllung:
- 10.000 € : 2.952 € (= Beitrag für STZ von 1) = 3,3875
- Der Versicherte erhält zu seiner um den Abschlag verminderten Steigerungszahl einen Zuschlag von 3,3875.
- Berechnungsweg:
- Steigerungszahl des Ausgleichspflichtigen auf Grund seiner Versicherungszeiten 29,9880
Abschlag aus dem Versorgungsausgleich - 5,9143
gekürzte Steigerungszahl 24,0737
Zuschlag zur Steigerungszahl aus Wiederauffüllung + 3,3875
Steigerungszahl für die Rentenberechnung 27,4612 -
Hat der Ausgleichspflichtige Beiträge in den neuen Bundesländern entrichtet und waren deshalb geminderte angleichsdynamische Anrechte auszugleichen, richtet sich die Wiederauffüllung nach § 116. Die Berechnungsmethode entspricht § 72.
Wirksamkeit der Beitragszahlung
Nur wirksam gezahlte Beiträge bewirken einen Zuschlag zur Steigerungszahl nach § 24 und damit die Erhöhung der Rente.
Gemäß Satz 2 i. V. m. § 187 Abs. 4 SGB VI ist nach bindender Bewilligung einer Altersrente die Beitragszahlung zur Wiederauffüllung nicht mehr möglich.
Zur Anrechnung auf die Rente wegen Erwerbsminderung müssen die Beiträge vor Eintritt der Erwerbsminderung entrichtet sein (§ 24 Abs. 3 i. V. m. § 23 Abs. 2 Nr. 2).
Die zeitliche Zuordnung der Beiträge zur Wiederauffüllung entscheidet somit nicht nur über die Höhe der Beiträge, sondern auch über deren Anrechnungsfähigkeit auf eine Rente wegen Erwerbsminderung oder eine Altersrente. In diesem Zusammenhang ist Satz 2 i. V. m. § 187 Abs. 5 SGB VI besonders zu beachten (siehe hierzu weiter oben).