§ 41
Grundsatz
(1) 1Berechtigte, die sich nur vorübergehend im Ausland aufhalten, erhalten für diese Zeit Leistungen wie Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. 2Dies gilt auch für Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen.
(2) Die Vorschriften dieses Abschnitts sind nur anzuwenden, soweit nicht nach über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist.
Nach Satz 1 sind die Leistungen nach diesem Gesetz bei einem nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt wie bei einem Aufenthalt im Inland zu erbringen. Als Berechtigte kommen hier Deutsche und Ausländer in Betracht. Vorübergehend ist ein Aufenthalt, der nicht gewöhnlich ist. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I jemand dort genommen, wo er sich unter Umständen aufhält, die darauf schließen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt.
Die Entscheidung, ob sich jemand vorübergehend oder gewöhnlich im Ausland aufhält, ist vorausschauend zu treffen. Hierbei sind alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen.
Tritt eine Änderung in den Verhältnissen ein, weil z. B. ein vorübergehender Aufenthalt in einen gewöhnlichen Aufenthalt übergeht, so kommt erst ab dem Zeitpunkt der Änderung eine mögliche Umstellung in Frage.
Ein Auslandsaufenthalt, der längere Zeit andauert, muss nicht zwingend zu einem gewöhnlichen Aufenthalt führen. So ist das BSG bei einem Auslandsstudium noch von einem vorübergehenden Aufenthalt ausgegangen (BSG, 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87, SozR 2200 § 205 Nr. 65 = BSGE 63, 93).
Nach Satz 2 hat auch der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland grundsätzlich keinen Einfluss auf die Leistungen.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist im zweiten Halbsatz geregelt. Danach wird in den Fällen des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes eines Berechtigten die Leistung aus der AdL nur insoweit wie an Berechtigte im Inland geleistet, als die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts (s. Absatz 2) und diejenigen des § 42 nicht etwas anderes bestimmen.
Über- und zwischenstaatliche Regelungen gehen den §§ 41 und 42 als Sonderregelungen vor.
Zum überstaatlichen Recht gehören insbesondere die Verordnungen, welche die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit innerhalb der EU regeln, während als zwischenstaatliche Regelungen in diesem Kontext die zwischen zwei Ländern geschlossenen Sozialversicherungs- oder Entsendeabkommen gelten.
Überstaatliches Recht
Die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 sind durch die am 01.05.2010 in Kraft getretenen Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 abgelöst worden, weil die „alten“ Verordnungen durch mehrfache Änderungen und Aktualisierungen, auch aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, zu komplex und umfangreich geworden waren. Daher war es wichtig, diese Vorschriften zu ersetzen und dabei gleichzeitig zu aktualisieren und zu vereinfachen.
Die genannten Koordinierungsvorschriften sind Teil des freien Personenverkehrs in der Europäischen Union und sollen eine Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen bewirken. Auch weiterhin ist es notwendig, die Eigenheiten der nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, da es sich nur um Koordinierungsregelungen handelt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung der betroffenen Personen, die nicht im Beschäftigungsstaat wohnen. Im Rahmen der Leistungs- und Sachverhaltsgleichstellung ist sichergestellt, dass bestimmte Sachverhalte, die in einem anderen Mitgliedstaat eingetreten sind, so zu behandeln sind, als wären sie in dem Mitgliedstaat eingetreten, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Der Grundsatz der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten steht hierbei im Vordergrund.
Der Geltungsbereich der EG-Verordnungen erstreckt sich zum einen auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien (jedenfalls im Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020), Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern).
Zum anderen gelten die EG-Verordnungen nach entsprechenden Beschlüssen der jeweils zuständigen Ausschüsse seit dem 01.06.2012 sowie 01.04.2012 auch im Verhältnis zu den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie zur Schweiz.
Für Angehörige von Staaten außerhalb der EU (sog. Drittstaaten) und ihre Hinterbliebenen wird der Anwendungsbereich der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 ausgedehnt (Verordnung (EG) Nr. 1231/2010, sog. „Drittstaatsverordnung“), wenn diese Berechtigten rechtmäßig in der EU wohnen.
Die Drittstaatsverordnung findet hingegen keine Anwendung im Verhältnis zu den Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Obwohl die Länder Dänemark und Großbritannien die Drittstaatsverordnung nicht anwenden, stellt die Drittstaatsverordnung für die deutschen Träger im Verhältnis zu den Staaten Dänemark und Großbritannien geltendes Recht dar. Somit werden Angehörige von sog. Drittstaaten mit Versicherungszeiten in Dänemark oder Großbritannien Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten gleichgestellt; d. h. die Versicherungszeiten können in Deutschland angerechnet werden.
Für die Prüfung der Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften, des Leistungsanspruchs und über eine Pflichtversicherung oder freiwillige Versicherung sind sämtliche zurückgelegten Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten anzurechnen, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt worden sind (vgl. Artikel 6 VO (EG) Nr. 883/2004).
Artikel 6 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt für alle Leistungsbereiche, sofern nicht abweichende Sonderregelungen anzuwenden sind. Eine derartige Sonderregelung ist Artikel 51 der genannten Verordnung, der die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten in Sondersystemen oder in bestimmten Berufen vorschreibt. Danach werden von einem Sondersystem wie der AdL wegen der besonderen Voraussetzungen des § 90 in der Zeit vom 01.10.1972 bis 31.12.1994 nur diejenigen Versicherungszeiten angerechnet, die in einem Sondersystem für die Landwirtschaft oder, falls es ein solches in dem jeweiligen EU/EWR-Staat oder in der Schweiz nicht gibt, in dem Beruf des selbstständigen Landwirts zurückgelegt worden sind.
Außerhalb des genannten Zeitraums werden für das Entstehen des Anspruchs, d. h. die Erfüllung der Wartezeit, sämtliche in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten über Artikel 6 VO (EG) Nr. 883/2004 angerechnet. Für den Anspruchserwerb ist es dabei unwesentlich, ob die Zeiten in einem allgemeinen oder in einem Sondersystem (z. B. der Landwirtschaft) und ob sie als Arbeitnehmer oder Selbstständiger zurückgelegt worden sind.
Das überstaatliche Recht trifft auch Regelungen zur Rentenberechnung. Die Artikel 52 - 56 VO (EG) Nr. 883/2004 koordinieren die unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Systeme der Rentenberechnung in der Weise, dass die Rentenberechnung zunächst auf der Grundlage der eigenen Rentenformel basiert und jeder Staat seine eigenen Versicherungszeiten entschädigt. Bei der Rentenberechnung nach diesem Gesetz können aber nur die mitgliedstaatlichen Versicherungszeiten berücksichtigt werden, die in einem Sondersystem der Landwirte bzw. in dem Beruf des selbstständigen Landwirts zurückgelegt worden sind. Diese mitgliedstaatlichen Zeiten können auch im Rahmen einer Zuschlagsberechnung (§ 97) herangezogen werden. In bestimmten Fällen ist eine anteilige Leistung (zwischenstaatliche Rente) festzustellen. Hierbei wird ein theoretischer Leistungsbetrag (theoretische Rente) unter Zugrundelegung sämtlicher mitgliedstaatlicher Versicherungszeiten ermittelt. Von der theoretischen Rente ist jedoch nur der Anteil auszuzahlen, der dem Verhältnis der AdL-Beitragszeiten zu allen mitgliedstaatlichen Landwirtszeiten entspricht. Sind in einem EU/EWR-Staat oder der Schweiz Versicherungszeiten von weniger als einem Jahr zurückgelegt worden und besteht allein aufgrund dieser Zeiten kein Leistungsanspruch, werden diese Zeiten in der AdL wie eigene Beitragszeiten angerechnet (Artikel 57 VO (EG) Nr. 883/2004).
Zwischenstaatliches Recht
Die zwischen Deutschland und anderen Staaten geschlossenen Sozialversicherungsabkommen regeln im Wesentlichen den Erwerb von Rentenansprüchen und die Zahlung von Renten in den anderen Vertragsstaat. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit den nachfolgend genannten Staaten Sozialversicherungsabkommen geschlossen:
- Albanien
- Australien
- Bosnien und Herzegowina
- Brasilien
- Chile
- Indien
- Israel
- Japan
- Kanada (und zusätzliche Vereinbarungen mit der Provinz Quebec)
- Republik Korea (Südkorea)
- Kosovo
- Marokko
- Republik Moldau
- Montenegro
- Nordmazedonien
- Philippinen
- Serbien
- Türkei
- Tunesien
- Ukraine (noch nicht ratifiziert)
- Uruguay
- USA.
Hierbei ist zu beachten, dass im Verhältnis zu Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Serbien jeweils der deutsch-jugoslawische Vertrag vom 10.03.1956 und das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 weiterhin Anwendung finden.
Demgegenüber sehen die zwischen Deutschland und anderen Staaten geschlossenen Entsendeabkommen vor, dass für Arbeitnehmer, die von ihren Unternehmen vorübergehend im anderen Vertragsstaat beschäftigt werden, eine Doppelversicherung und damit eine doppelte Beitragslast verhindert wird. Diese Abkommen enthalten beispielsweise keine Regelungen zum Erwerb von Rentenansprüchen oder zur Zahlung von Renten. Mit folgendem Staat hat die Bundesrepublik aktuell ein Entsendeabkommen geschlossen:
- Volksrepublik China.