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Unfallfrei arbeiten in Gruben und Gräben   

Experteninterview mit Roger Brandkamp  (SVLFG-Präventionsfachmann)

Vergrößerung des Bildes für Portrait Roger Brandkamp.

Alles SVLFG: Herr Brandkamp, die Unfall-Statistik zeigt immer wieder, wie gefährlich Arbeiten unter der Erdgleiche sein können. Wobei verunglücken die meisten Personen

Roger Brandkamp: Die meisten unserer Versicherten verunglücken, weil einbrechende Wände, Geröll oder Erdmassen sie verschütten und unter sich begraben. Dazu reichen bereits erstaunlich geringe Tiefen aus. Immer wieder enden solche Unfälle tödlich und mit schweren Verletzungen, die über Jahre nachwirken. Es kommt zu psychischen Folgen, Knochenbrüchen, Organverletzungen oder Sehstörungen aufgrund des hohen Drucks, der auf dem Körper lastet, wenn Erdmassen Personen ganz oder teilweise verschütten. Immer wieder stürzen Personen auch in ungesicherte Gruben oder verletzen sich aufgrund herabfallender Gegenstände. Besonders gefährlich und deshalb verboten ist es, angrenzende Gebäudeteile wie zum Beispiel Erker oder Treppenfundamente ohne ausreichende Sicherung zu untergraben. Die Unfälle ereignen sich sowohl beim Anlegen von Baugruben und Gräben, als auch beim Arbeiten darin. Jedes Jahr kommen so zum Beispiel Landwirte im eigenen Betrieb zu Schaden, weil sie Pump-Leitungen verlegen. Beschäftigte im Gartenbau verunglücken, weil sie Keller freilegen und Entwässerungsleitungen auf unbekanntem Baugrund anlegen oder Kommunalarbeiter erleiden Unfälle bei Erdbestattungen auf Friedhöfen. Sehr oft unterschätzen Bauleiterinnen oder Bauleiter die Situation vor Ort. Unsere Unfallermittlungen zeigen, dass Baustellenverantwortliche immer wieder die Eigenschaften von Böden insbesondere bei sandigem oder lehmigen Untergrund falsch bewerten. Wer falsch beurteilt, ob der Untergrund bindig, nicht bindig oder steif bindig ist, wird die notwendigen Sicherheitsregeln nicht oder nur unzureichend beachten. Dadurch entstehen vermeidbare und gefährliche Unfallquellen. Wir geben in Beratungsgesprächen immer wieder Tipps, wie die Unfallrisiken bei Arbeiten in Baugruben und Gräben minimiert werden.

Alles SVLFG: Können Sie einige Regeln nennen, die immer eingehalten werden müssen?

Roger Brandkamp: Gerne. Damit es übersichtlich bleibt, beschränke ich mich hier auf die Wichtigsten:

  • Bestellen Sie eine fachkundige Baustellenleitung. Sie trägt vor Ort die Verantwortung für die Arbeitssicherheit, erstellt die Gefährdungsbeurteilung (GBU) und unterweist die Beschäftigten
  • Prüfen Sie die Bodenbeschaffenheit sorgfältig. Klären Sie, welche Bodenart in welcher Konsistenz vorliegt.
  • Holen Sie Leitungspläne ein. Wichtige Quellen sind zum Beispiel Telekommunikationsbetreiber, Versorger oder Entsorgungsbetriebe.
  • Schaffen Sie sichere Übergänge über den Graben und machen Sie diese kenntlich.
  • In Gräben ab 0,8m Tiefe dürfen Beschäftigte nur mit einer geeigneten Anlegeleiter einsteigen.
  • Bei Tiefen > 1m bedarf es Maßnahmen gegen Absturz.
  • Stellen Sie den Beschäftigten hochwertige Körperschutzmittel entsprechend der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung zur Verfügung und achten Sie darauf, dass diese benutzt werden.
  • Bedenken Sie die Erdmassenzunahme beim Ausheben der Gräben oder Gruben und deren Lagerung, insbesondere beim Abböschen

Alles SVLFG: Der Grabenverbau ist zentral für die Arbeitssicherheit. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Roger Brandkamp: Das sind bauliche Maßnahmen und Einrichtungen, Wände von Baugruben oder Gräben abstützen, so dass sie nicht einbrechen können.

Alles SVLFG: Bis 125cm Grabentiefe dürfen Gräben, selbst wenn die Wände senkrecht stehen, ohne Verbau angelegt werden. Gilt das immer?

Roger Brandkamp: Das gilt, wenn schädigende Einflüsse ausgeschlossen werden können. Dazu zählen:

  • Störungen des Bodengefüges wie Klüfte, Verwerfungen, Schieferungen
  • Wenig verdichtete Verfüllungen
  • Organischen Bestandteile bei weich bindigen Böden
  • Grundwasserabsenkung oder offene Wasserhaltung in Feinsand- oder Schluffboden
  • Zufluss von Schichtenwasser
  • Böden, die zum Fließen neigen
  • Austrocknen eines nicht bindigen Bodens und wenn
  • Nicht haftende Bodenteilchen
  • Erschütterungen (zum Beispiel bei Verdichtungsarbeiten)

Alles SVLFG: Bei den vielen Einschränkungen ist anscheinend immer der Verbau die sicherste Lösung. Kann man das so sagen?

Roger Brandkamp: Ja, wir raten darüber hinaus generell zu Grabenverbaugeräten anstelle von Holzbohlen oder Abböschungen. Sie sind die sichere Lösung für jede Art von Gräben oder Gruben. Wichtig ist, dass der Verbau vollflächig ohne Hohlräume am Erdreich anliegt. Beim Holzbohlenverbau muss die Bohlendicke ≥ 5cm sein. Die Holzgüte muss der Sortierklasse S10 entsprechen. Die Kopföffnungen von Gräben müssen übrigens ebenfalls durch einen Verbau gesichert oder abgeböscht werden.

Alles SVLFG: Was gilt bei Gräben ab 125cm Tiefe?

Roger Brandkamp: Bei einer Grabentiefe von 125 cm oder mehr müssen Erdwände in einem bestimmten Winkel, dem Böschungswinkel, nach unten gehen. Welcher richtig ist, ergibt sich aus den Bodeneigenschaften. Folgende Böschungswinkel dürfen ohne rechnerischen Nachweis der Standsicherheit nicht überschritten werden:

  • Böschungswinkel 45° bei nicht bindigen/ weich bindigen Böden,
  • Böschungswinkel 60° bei mindestens steifen bindigen Böden,
  • Böschungswinkel 80° bei Fels

Alles SVLFG: Worauf müssen die Baustellenverantwortlichen außerdem achten?

Roger Brandkamp: Ganz entscheidend ist, dass sich schwere Lasten, zum Beispiel Materiallager oder Maschinen, in einem sicheren Mindestabstand zum Rand der Grube oder des Grabens befinden. Sonst ist die Gefahr zu groß, dass die Gruben- oder Grabenwände durch die Belastung einbrechen

Alles SVLFG: Wie müssen diese Mindestabstände bemessen sein?

Roger Brandkamp: Rechtsicherheit besteht, wenn die Baustellenverantwortlichen die Regelausführungen gemäß DIN 4124:2012-01 beachten und die folgenden Mindestabstände (a) zum Rand der Grube oder des Grabens einhalten:

  • Bei Materiallagerung bleiben mindestens 60cm Abstand zum Grabenrand lastfrei („a“ = 60 cm)
  • Bei Baugeräten bis 12 Tonnen Gesamtgewicht „G“ gilt: Bei einer Tiefe ≤1,75m soll der Abstand „a“ mindestens 1,0m betragen.
  • Bei Baugeräten mit einem Gesamtgewicht zwischen 12 und 18 Tonnen und einer Tiefe ≤1,75m soll der Abstand „a“ mindestens 2,0 m betragen

Alles SVLFG: Sie sprachen eingangs von der GBU. Reicht es aus, einmalig vor Beginn der Arbeiten eine GBU zu machen?

Roger Brandkamp: Die Baustellenverantwortlichen müssen Schutzmaßnahmen ständig an die Verhältnisse anpassen. Nehmen Sie zum Beispiel die Witterung. Offene, geböschte Baugruben benötigen als Schutz gegen Witterungseinflüsse eine Folienabdeckung. Sie schützt den Boden vor dem Austrocknen durch die Sonne und vor dem Wegspülen bei Regen.

Alles SVLFG: Mit welchen Gefährdungen rechnet eher niemand?

Roger Brandkamp: Schwierig wird es, wenn Strom-, Gas- oder Wasserleitungen auftauchen, die defekt oder in keinem Plan verzeichnet sind. Bei Arbeiten an Rohren und in Kanalsystemen treten krankmachende Keime auf. Auch hier gilt: Die Baustellenleitung muss Schutzmaßnahmen dynamisch an die jeweilige Situation anpassen.

Alles SVLFG: Wie unterstützt die SVLFG Unternehmen, die Tiefbauarbeiten ausführen?

Roger Brandkamp: Wir beraten individuell und stellen Infomaterial, Unterlagen zur GBU und Unterweisungshilfen zur Verfügung.

Alles SVLFG: Wir bedanken uns für das Gespräch